Riesa. Mit beiden Händen muss VGM-Chef Rolf Baum das große Lenkrad herumziehen. Im Stand braucht es dazu besonders viel Kraft. Keine Servolenkung hilft. Der Ifa-Bus H6 B muss aus der Parklücke auf dem Riesaer Betriebshof der Verkehrsgesellschaft heraus. Erst einmal in Fahrt, geht das Lenken etwas leichter. Die Tour soll von Riesa nach Meißen führen. Von dort wird der Oldtimer zum VVO-Entdeckertag am 21. April zu einer Landpartie nach Moritzburg starten.
Oft wundern sich die Mitfahrer, dass der Chef selbst das 60 Jahre alte Mobil steuert. Aber ihm bereitet das Freude. „Das ist ein viel ursprünglicheres Fahrgefühl als bei modernen Bussen“, sagt Rolf Baum. Mit dem seitlich aus dem Motorblock herausragenden Schalthebel legt er den nächsten Gang ein. Ein Wegweiser zeigt nach Hirschstein. Langsam nimmt der Bus Fahrt auf. Das macht sich bemerkbar. Der Geräuschpegel steigt, sodass man sich schreiend verständigen muss. Alles vibriert und wackelt. Gar nicht vorzustellen, was für ein Balance-Akt es wäre, hier stehend mitzufahren.
In einer Scheune hat die Verkehrsgesellschaft den Oldtimer entdeckt. Der H6 B wurde in den 50er-Jahren im VEB Kraftfahrzeugwerk Werdau produziert. Knapp 2 000 Exemplare kamen auf den Markt. Der H6 B war 20 Jahre im Linieneinsatz. Danach wurde der Bus bis 1989 in der LPG Pflanzen-Produktion Pfaffroda weiterbetrieben.
Mitfahrgelegenheiten
Zwei Jahre hat es gedauert, um den Oldtimer in seine jetzige Form zu bringen. Viele der Bauteile sind aus Holz. Ein Stellmacher musste gefunden werden, der diese Formen noch herstellen kann.
Vergnügt lächelnd winkt ein jätender Anwohner aus seinem Gärtchen dem laut tuckernden Gefährt zu. Vielleicht werden durch das Geräusch Erinnerungen geweckt. Rolf Baum blickt konzentriert nach vorn. „Mit so einem alten Bus heißt es vorausschauend fahren.“ Der Bremsweg ist länger als bei heutigen Autos. Wenn es einen Berg hinunter geht und anschließend in eine Kurve hinein, muss gleich der richtige Gang gewählt werden, sonst kommt der Bus nicht um die Kurve.
Trotz der archaischen Technik: Die Fahrplanzeiten des H6 B aus den 50er- und 60er-Jahren unterscheiden sich auf Linien kaum von heutigen. Zwar sind moderne Fahrzeuge schneller, sie werden jedoch öfter von Ampeln und dem Verkehr aufgehalten. Anders sieht es allerdings bei der Leistung aus.
Der Betriebshof Meißen kommt langsam in Sicht. Rolf Baum scheint es ein bisschen zu bedauern, dass die Fahrt schon zu Ende geht. Doch die nächsten Touren sind schon geplant – zum Entdeckertag. (SZ/pa)