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Olbersdorf muss für Fundhund zahlen

Gemeinde und Landkreis hatten vor Gericht um Kosten für das Tier gestritten. Das Urteil ist wichtig für viele Kommunen.

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© dpa

von Mario Sefrin

Olbersdorf/Görlitz. Im Rechtsstreit zwischen Olbersdorf und dem Landkreis Görlitz um die Kosten für einen Fundhund hat Olbersdorf den Kürzeren gezogen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Donnerstag nach mündlicher Verhandlung entschieden, dass die Gemeinde die Kosten für Transport und Unterbringung im Tierheim in Höhe von 384 Euro zu tragen hat. Olbersdorf war in der Streitsache gegen ein früheres Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts Bautzen in Revision gegangen und vors Bundesverwaltungsgericht gezogen.

Bei dem Verwaltungsstreit ging es um einen großen Hund, der im April 2011 auf Olbersdorfer Gemeindegebiet gefunden wurde. Für Transport und Unterbringung im Tierheim wurden damals 384 Euro fällig. Während der Landkreis das Tier als Fundhund ansah, für den die Gemeinde bezahlen müsse, argumentierte Olbersdorf, der Hund sei ohne Marke, verwildert und zerzaust und somit herrenlos gewesen. In diesem Fall müsse der Landkreis für die Kosten aufkommen. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen hatte die Berufung gegen ein früheres Urteil, das Olbersdorf in der Pflicht zur Zahlung sah, zurückgewiesen, eine Revision am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig aber zugelassen. Die Gemeinde Olbersdorf strebte daraufhin eine grundsätzliche Klärung dieser Frage an. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun festgestellt, dass auch ein verwilderter Hund ohne feststellbaren Besitzer dem Fundrecht unterliegt. Der Hund ist nicht als herrenlos zu behandeln, weil die Aufgabe des Eigentums am Tier durch den Besitzer gegen das deutsche Tierschutzgesetz verstößt. Laut diesem ist es verboten, ein in menschlicher Obhut gehaltenes Tier auszusetzen, um sich seiner zu entledigen, begründete das Gericht sein Urteil. Das Bundesverwaltungsgericht hat damit die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

Das Bundesverwaltungsgericht sah den Umstand, dass sich Olbersdorf um den Hund gekümmert hat, als bedeutend an. „Eine Gemeinde, die einen Hund an sich nimmt und in einem Tierheim unterbringt, erfüllt damit eine eigene Aufgabe als Fundbehörde und kann von einer anderen Behörde nicht den Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen. Das Landratsamt als Tierschutzbehörde hatte es abgelehnt, den Hund unterzubringen. Darauf hatte Olbersdorf angekündigt, das selbst zu tun und die Kosten dem Landkreis in Rechnung zu stellen. Dieser lehnte es jedoch ab, diese Aufwendungen zu ersetzen.

In seiner Revisionsbegründung hatte der Zittauer Rechtsanwalt Torsten Mengel, der die Gemeinde Olbersdorf in der Angelegenheit vertrat, den Zustand des Hundes am Fundtag beschrieben. „Das aufgegriffene Tier war völlig verwildert, struppig, zerzaust und ungepflegt, es war abgemagert, reagierte scheu und abweisend auf sich nähernde Menschen, trug keinerlei Halsband oder Steuermarke und machte keinerlei Anstalten, an einen (ihm) bestimmten Ort zurückzukehren“, heißt es darin. Bei herrenlosen Tieren, und vor allem bei einem Tierzustand wie im Olbersdorfer Fall, sei das Fundrecht vordergründig nicht anwendbar, hatte Mengel geschrieben. „Das Grundgesetz der BRD erhebt den Tierschutz zum Staatsziel und verpflichtet alle staatlichen Institutionen und zuallererst die, die den Tierschutz per Gesetz als Zuständigkeit und Pflichtaufgabe zugewiesen bekommen haben“ – das wäre in diesem Fall der Landkreis. Aufgrund der Umstände und des Zustands des Tieres sei die Tierschutzbehörde verpflichtet, so Mengel. Das sah das Bundesverwaltungsgericht anders.

Torsten Mengel zog aber auch noch einen anderen Aspekt in Betracht. „Möglicherweise habe sich das Tier auch zu keinem Zeitpunkt seines Lebens im Eigentum oder Besitz eines Menschen befunden“, sagt der Anwalt und verweist auf die Grenznähe zu Tschechien und Polen und dort mögliche frei lebenden Hundepopulationen. Darauf sei das Gericht in der mündlichen Verhandlung aber nicht eingegangen, so Mengel. „Die Richter haben deutlich gemacht, dass sie sich gern mit der Problematik Grenznähe auseinandergesetzt hätten, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Herkunft des Tieres aus Böhmen oder Schlesien bestanden hätten“, so Mengel. „Es hätte sich dann unter anderem die Frage gestellt, ob das deutsche Grundgesetz und Tierschutzgesetz auch für ausländische Tiere gelten. Aber derartige Anhaltspunkte gab es außer Vermutungen aufgrund der Grenznähe in diesem Fall nicht.“

Im jetzt erfolgten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sieht Torsten Mengel jedoch nur bedingt einen Präzedenzfall. „Es mag zwar faktisch noch herrenlose Haustiere geben, rechtlich gesehen aber nicht“, sagt der Rechtsanwalt. „Es muss auch künftig immer eine Prüfung des Einzelfalles erfolgen“, ist er überzeugt.