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Ohne Witz

Bonny Lycen tritt als Poetry-Slamerin im Panometer zum Poeten-Wettstreit an. Das schwierige Thema: Dresden 1945.

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© Christian Juppe

Von Nadja Laske

Sie ist nicht lustig. Darauf legt sie wert. Auch süß ist kein Attribut für Bonny Lycen Henze. In Spitzenstrick und Turnschuhen sitzt sie im Strauchwerk und sagt Sätze wie: „Ich habe keine eigenen Ideen.“ Das stimmt nicht. Kann ja gar nicht, bei jemandem, der Gedanken in Verse fasst, Gedichte schreibt, Poesie rezitiert. Ideenlose Kreativität. Wie absurd.

Bonny ist Poetry-Slamerin. Das kam einfach so. Sagt sie. Bis dahin war sie Studentin und Logopädin. Auch das kam über Nacht. „Ich bin morgens wach geworden und habe gedacht: Ich werde mich für eine Ausbildung zur Logopädin bewerben.“ Da hatte sie gerade ein Praktikum in einem Kindergarten hinter sich und haderte mit ihrem Germanistik-Studium. Aus der Liebe zur Sprache und der Freude an sozialer Arbeit entstand das, was Bonny Lycen nicht Idee im Sinne einer aktiven Entscheidung nennen will. Eine Art Eingebung eher, ihr Bauchgefühl. Ein Leben lang hat es die junge Frau begleitet. Jetzt ist sie 25 Jahre alt und hat – ohne zu suchen – gefunden, was sie glücklich macht: Künstlerin sein, Texte schreiben, auf Bühnen stehen, durchs Land touren einerseits, und in ihrem medizinischen Beruf Schwerkranke betreuen andererseits.

Letzteres ergab sich, weil Bonny zunächst nicht wusste, dass Logopädie sehr viel mehr als Sprecherziehung bedeutet. Mit psychisch kranken Kindern hat sie inzwischen gearbeitet und dann die Anstellung in einem Heim für Komapatienten angenommen. Die sichert nicht nur den Lebensunterhalt und gibt dem Alltag eine feste Struktur. „Sie regt meine künstlerische Arbeit an“, sagt die Poetin. Geht es doch auch am Krankenbett um Sprache, ohne Worte, mit Gesten und Blicken, Gefühlen und Stimmungen. „Die Menschen, die so schwer betroffen sind, spiegeln mir mein eigenes Verhalten vollkommen rein wider“, sagt Bonny Lycen. Sie halten keine zwischenmenschlichen Regularien ein, ihre Sprache hat keine Doppeldeutigkeit.

Gerade für die ist Poetry Slam bekannt. Doch Bonny jongliert nicht mit Worten, wie es andere Slamer tun. Begriffsschlaraffen liegen der Künstlerin nicht. Dennoch hat sie sich in der Szene einen guten Platz erobert. Einfach so. „Ich habe immer geschrieben“, sagt sie. Schülerzeitung und Lokalblatt, Tagebuch und Gedichte. Unter dem Titel „Herzeigen“ veröffentlichte sie einen eigenen Lyrikband und lud zu Lesungen ein. Aber der Anklang blieb dürftig. Gelesene Gedichte locken von Haus aus kein Massenpublikum an.

Mehr halbherzig begann Bonny, sich mit der Kunstform Poetry Slam zu beschäftigen, sah Videos im Internet an und probierte eigene Texte im stillen Kämmerlein aus. Bis das Bauchgefühl sich mal wieder meldete und ihr sagte: Bewirb dich doch für den Poetry Slam in der Scheune. Hat sie prompt gemacht, sich kurz vor dem Dichterwettstreit die Haare gerauft und die Eingebung als Nonsens gescholten, es trotzdem durchgezogen und rund 300 Zuhörer begeistert.

Von da an war sie dabei. Bonny Lycen wurde Mitglied der „Slamily“, der kleinen Familie slamender Poeten, die sich landauf, landab immer wieder findet. „Anfangs habe ich mich gar nicht mit den Stilen der anderen beschäftigt“, sagt die gebürtige Gubenerin. Die Distanz ließ ihr Raum, ihre Rhythmik und Metrik zu finden, das Laut und Leise der Stimme auf ganz eigene Art zu nutzen, den Sinn für Pausen und Betonungen zu schärfen. „Inzwischen kenne ich viele Kollegen und ihre künstlerischen Eigenheiten. Ganz unbeeinflusst bleibe ich da nicht mehr.“ Aber jeder Slamer kämpft trotz familiärer Atmosphäre für sich allein, zumindest beim Schreiben seiner Texte. Dazu zählen auch Auftragsarbeiten. Mit einer davon ist Bonny auf der Leipziger Buchmesse aufgetreten: Martin Luther frisch verslamt zum Reformationsjubiläum.

Am 21. April, 20 Uhr, ist sie mit drei weiteren Poetry-Slamern im Panometer zu Gast. Zum Thema „Dresden 1945“ bestreiten sie den Abend. Rund 20 Stunden hat Bonny recherchiert, um sich von ihrer Idee finden zu lassen. Dabei traf sie auf die Berichte von Dresdnern, die einst erlebten, was Yadegar Asisis Panorama-Kunstwerk abbildet. Deren Erinnerungen will sie das Publikum fühlen lassen. So, wie sie selbst deren Geschichten empfindet. Schnörkellos, klassisch und authentisch. Das sind Bonny Lycen Henzes Attribute.