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Ohne Oma und Opa geht nichts

Großeltern spielen eine wichtige Rolle im Familienleben. Das liegt an Arbeitszeiten der Eltern und Hobbys der Kinder.

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© Sven Ellger

Von Nora Domschke

Fußball, Tanzen, Reiten, Violinen- und Cello-Unterricht – der Terminkalender von Johann und Emma ist gut gefüllt. Zum Glück haben Bärbel Henke und ihr Mann Alfred viel Zeit für ihre Enkelkinder. Um ihrem Sohn Stefan und seiner Frau Gesa unter die Arme zu greifen, ist das Ehepaar 2009 aus dem Einfamilienhaus im Weserbergland in eine Eigentumswohnung nach Klotzsche umgezogen. „Wir haben den späten Neustart nie bereut“, sagt Bärbel Henke. „Wir wollten unbedingt unsere Enkel aufwachsen sehen.“

Sie begleitet den achtjährigen Johann jeden Freitag zum Violinenunterricht in die Dresdner Neustadt. Dienstags geht die zehnjährige Emma mit ihrer Oma in die Musikschule, um Cello zu üben. Danach steht die Tanzschule auf dem Programm. Opa Alfred ist für die sportlichen Aktivitäten zuständig und bringt Johann immer montags zum Fußballtraining ins Ostragehege. Das Rentnerpaar genießt die Aufgaben innerhalb der Familie und die Zeit, die sie dadurch mit ihren Enkeln verbringen können. Und die beschränkt sich nicht nur auf die Wochentage. „Wir gehen oft spazieren, schauen uns in Museen Ausstellungen an, machen Ausflüge nach Moritzburg oder auf die Festung in Königstein“, sagt Alfred Henke. Als Johann und Emma noch im Kindergarten waren, gab es einen festen Tag in der Woche, an dem die Großeltern die beiden abholten. „Heute sind sie oft in den Ferien bei uns und wir fahren auch mal zu viert in den Urlaub“, ergänzt Bärbel Henke.

Großeltern spielen heute eine wichtige Rolle im Familienalltag. Auch deshalb, weil arbeitende Eltern nicht immer die Zeit haben, ihren Nachwuchs nach der Kita oder Schule zu betreuen. Doch auch aus Sicht der Kinder spielen Oma und Opa eine bedeutende Rolle. Das zeigt die Kinderstudie, die der Mikrosoziologe Karl Lenz an der TU Dresden durchführte. Mehr als 96 Prozent der befragten Kinder in Dresden gaben an, dass ihre Großeltern wichtige und sehr wichtige Bezugspersonen sind. Auf den beiden Plätzen davor rangieren die Mutter und der beste Freund oder die beste Freundin. Die Dresdner Väter landen als Bezugsperson mit rund 94 Prozent auf dem vierten Platz. Geht es allerdings um die Hilfe bei konkreten Problemen, wenden sich die Kinder zuerst an Freunde, Eltern und Geschwister. Auch das ist ein Ergebnis der TU-Studie, die 2013 veröffentlicht wurde.

Dass in Dresden längst nicht jede Familie auf die eigenen Großeltern zurückgreifen kann, zeigen die verschiedenen Angebote zum Thema Leihoma. Etwa vom Frauenförderwerk Dresden. Lidija Pietzsch ist dort Projektkoordinatorin und bestätigt, dass die Nachfrage in der Landeshauptstadt sehr groß ist. Derzeit sind 15 Frauen für den Verein als Leihoma im Einsatz. Auf der Warteliste stehen mindestens zehn weitere Familien. „Wir wollen mit diesem Betreuungsservice vor allem Alleinerziehenden helfen, die keine Unterstützung im Alltag haben“, sagt Pietzsch. Immer wieder würden sich aber auch zugezogene Familien bei ihr melden, die gar kein zeitliches Problem bei der Betreuung haben. Diese Eltern wünschen sich vielmehr den Erfahrungsaustausch zwischen ihren Kindern und älteren Menschen, weil die eigenen Großeltern weit weg wohnen. „Das können wir nicht leisten“, erklärt Pietzsch.

Johann und Emma haben Glück. Und genießen den Austausch mit Oma und Opa. „Am schönsten ist es, wenn ich mit Oma allein unterwegs bin“, erzählt Emma. „Dann muss ich sie mit niemandem teilen.“ Nachwuchskicker Johann fachsimpelt mit Opa Alfred stattdessen über die neuesten Ergebnisse in der Fußball-Bundesliga. Oder über das bevorstehende Spiel der F 1-Jugend des Dresdner Sportclubs. „Johanns Mannschaft steht derzeit auf dem ersten Platz“, berichtet Alfred Henke. Nicht ohne Stolz fügt er hinzu, dass sein Enkel beim letzten Turnier Torschützenkönig war.

Dabei gibt es nicht selten Konflikte zwischen Eltern und Großeltern, wenn es um Erziehungsfragen geht, weiß der Dresdner Kinderpsychiater Veit Rößner. Deshalb rät der Experte zu klaren Absprachen. „Wichtige Regeln, an die sich die Kinder halten sollen, müssen unbedingt geklärt und von den Großeltern akzeptiert werden.“