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Ohne Auto aufgeschmissen?

Im Kreis existieren wenige preisgünstige Fahrdienste für Senioren ohne Pflegestufe. Doch dafür verschiedene Projekte.

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© Claudia Hübschmann

Von Ulrike Keller

Landkreis Meißen. Welche Angebote gibt es für Senioren, die nicht mehr mobil sind, also über kein Auto (mehr) verfügen? Wie kommen sie preisgünstig – heißt unter Taxipreisniveau – zum Einkaufen oder zum Arzttermin? Nach SZ-Recherchen existieren verschiedene Ansätze.

Der Bürgerbus in der Lommatzscher Pflege fährt zum VVO-Tarif

Haltepunkt Krögis, am Norma. Ein weißer Kleinbus stoppt. Alle acht Sitzplätze sind besetzt. Fahrer Rainer Groschwald zückt eine Holzkiste. Eine improvisierte Stufe, die seinen betagten Passagieren beim Ein- und Aussteigen hilft. Der Bürgerbus im Einsatz. Gäbe es ihn nicht, wäre der Supermarkt als nächstgelegene Einkaufsmöglichkeit für viele alte Menschen ohne eigenes Auto nicht mehr erreichbar. Denn in mehreren Ortsteilen in Käbschütztal und im Lommatzscher Raum verkehrt aus wirtschaftlichen Gründen längst kein normaler Linienbus mehr.

Darum wurde 2008 das Projekt Bürgerbus ins Leben gerufen. Es funktioniert als Kooperation von VGM, Gemeinden und Bürgerbusverein Lommatzscher Pflege e.V. Letzterer qualifiziert auf seine Kosten ehrenamtliche Fahrerinnen und Fahrer. Wie Michaela Stock vom Verein sagt, seien es momentan acht, von Berufstätigen über Arbeitssuchende bis hin zu Rentnern. Weitere werden gesucht. Sie steuern den Achtsitzer an drei Tagen der Woche auf einer festgelegten Route mit Haltestellen nach Fahrplan. Die Passagiere zahlen den Tarif des VVO.

Finanzierbar ist das Projekt allerdings nur durch den jährlichen Zuschuss vom Landkreis in Höhe von rund 8 000 Euro. Von dem Betrag mietet der Verein das Fahrzeug von der VGM. Diese hält – was der Verein nicht darf – die Linienkonzession, trägt Versicherungs- wie Spritkosten und übernimmt die Verkehrsplanung. So ist auch gewährleistet, dass Umstiege etwa nach Meißen zeitlich aufgehen.

„In Lommatzsch wollten die meisten älteren Leute von Anfang an auf den Markt. Inzwischen organisieren sich viele sogar ihre Bank- und Arzttermine nach dem Fahrplan des Bürgerbusses“, erzählt Michaela Stock vom Verein. In Käbschütztal diene das Fahrzeug als Einkaufs-, aber auch als Kommunikationsbus, um Neues zu erfahren. Mancher Passagier steige gar nicht aus.

Dieses Projekt gilt als das einzige, das sich bisher durchgesetzt hat im Landkreis. Denn obwohl der Bedarf groß zu sein scheint, nehmen ältere Menschen nicht jedes Fahrdienstangebot auch an. „Der Bürgerbus kommt regelmäßig“, erklärt Michaela Stock das Erfolgsrezept des Projektes. Müsse hingegen erst eine Art Anruftaxi angefordert werden, stelle das für viele eine riesige Hemmschwelle dar.

Für jedermann nutzbare Fahrdienste unter Taxipreisniveau sind rar

Etliche Wohlfahrtsverbände und gemeinnützige Einrichtungen im Landkreis bieten Fahrdienste nur noch für Menschen mit Behinderung, Krankheit oder Pflegestufe an, etwa bei Krankenfahrten oder der Beförderung zur Tagespflege. Diese Kosten übernehmen bei entsprechender Genehmigung die Pflege- beziehungsweise Krankenkassen. Will jemand außer der Reihe einen Fahrdienst wie ein Taxi nutzen, muss er die Kosten selbst tragen. Sie sind dann in der Regel mit Taxipreisen vergleichbar.

Als eines von bislang wenigen Unternehmen im Landkreis hat sich die AK Reisen GmbH Wülknitz auf die finanziell nicht von Kranken- und Pflegekassen abgedeckte Beförderung von Senioren in den umliegenden Dörfern spezialisiert. Laut Chefin Petra Henschel wurde der Fuhrpark jüngst um mehrere Achtsitzer erweitert. Denn die Nachfrage älterer Menschen für kurze Strecken zum Arzt oder Einkauf habe seit vergangenem Jahr um etwa zehn Prozent zugenommen.

„Einzelne Personen nutzen unseren Fahrdienst jede Woche“, so Petra Henschel. Die Preise ihrer Firma liegen nach eigenen Angaben unter Taxiniveau. Jede Person könne sich ein Angebot für einen festen Betrag einholen. Die Fahrt sei von heute auf morgen machbar, teils auch am Tag selbst.

Projekte zur Begleitung von Senioren unterstützen auch in puncto Mobilität

Mehrere Kommunen und soziale Dienstleister beteiligten sich in den vergangenen Jahren an Alltagsbegleiter-Projekten. Dabei ging es darum, dass ehrenamtliche Personen nicht pflegebedürftige Senioren bei Alltäglichem unterstützen, wie etwa dem Einkauf oder Arztbesuch. Die meisten Kommunen – darunter Schönfeld und Radeburg – stellten die Projekte jedoch wieder ein, weil mit der Förderung durch die Sächsische Aufbaubank ein nicht zu bewältigender Verwaltungsaufwand verbunden war, um die Gelder abzurechnen. Zudem war die Nachfrage nicht groß genug.

Im Falle Radeburgs wurde die Aufgabe dem Geriatrischen Netzwerk Radeburg übertragen. Dieses qualifiziert und vermittelt nun ehrenamtliche Seniorenbegleiter, die für Gespräche, Spaziergänge etc. zu älteren Menschen gehen und so Angehörige entlasten. Zurzeit gibt es in Radeburg, Moritzburg und Ebersbach insgesamt vier, wovon zwei noch gar nicht in Anspruch genommen werden.

Versicherungsrechtlich problematisch ist für die Ehrenamtler jedoch, die Senioren im eigenen Auto mitzunehmen. Darum können sie die älteren Menschen auf dem Weg zum Supermarkt oder Hausarzt nur in öffentlichen Verkehrsmitteln begleiten. Liegt keine Pflegestufe vor, fallen nach Auskunft vom Geriatrischen Netzwerk Radeburg pro Stunde 13 Euro an.

Manche Kirchgemeinden bieten Hol- und Bringedienste zum Gottesdienst an

Auch die Kirchen reagieren auf die steigende Zahl nicht mehr mobiler Gemeindemitglieder. Die katholische Pfarrei Heilig Kreuz Coswig als Beispiel holt Senioren bei Bedarf zum Gottesdienst ab und bringt sie anschließend wieder heim. Dazu ist der sogenannte Bonibus im Einsatz, ein Achtsitzer, gesponsert vom Bonifatiuswerk, dem Hilfswerk der katholischen Kirche.

Er verkehrt regelmäßig im Bereich Coswig, Brockwitz und Sörnewitz. Den ehrenamtlichen Fahrer, ein Gemeindemitglied, stellt die Pfarrei. Für diesen Service geben die Passagiere einen freiwilligen Obolus ins Sparschwein. Von dem Geld wird der Sprit bezahlt. „Auf den Bonibus können wir nicht verzichten“, heißt es aus dem Pfarrbüro. „Sechs, sieben Gemeindemitglieder sind jeden Sonntag darauf angewiesen.“

Zudem nehmen rüstige Gottesdienstbesucher nicht mehr mobile Senioren sonnabends und sonntags im Auto mit. Über diese privaten Mitfahrgelegenheiten hilft man sich vor allem auch in der Filialkirche Heilig Geist Weinböhla. Sie bildet mit der Pfarrei Heilig Kreuz Coswig den römisch-katholischen Seelsorgebezirk Coswig.

Darüber hinaus beteiligt sich die Coswiger Pfarrei an dem Projekt „Wir für Sachsen“, gefördert vom sächsischen Sozialministerium. In diesem Rahmen betreuen fünf ehrenamtliche Mitglieder der Gemeinde knapp 100 ältere Menschen, für die Begegnung, aber auch Hilfe im Alltag wichtig ist. Dazu gehört neben dem Angebot von Seniorenveranstaltungen unter anderem auch, die Betreffenden zum Arzt oder zum Einkauf zu begleiten.