Von Sophie Arlet
Dresden. Jette und Tommy sind seit sechs Jahren dicke Freunde – trotz des Altersunterschieds. Jette ist 13 und wohnt in der Neustadt. Tommy, 21, lebt auf dem Abenteuerspielplatz Panama an der Seifhennersdorfer Straße. Das Reitpony ist eines von vier Pferden, die auf dem Gelände untergebracht sind. Außerdem gibt es eine Katze, vier Ziegen, drei Hasen, ein Meerschwein und ein paar Fische. Seit der Gründung 1992 war der Spielplatz im Herzen der Neustadt Anlaufstelle für unzählige kleine Abenteurer, Tierliebhaber und Budenbauer. Am Grundgedanken hat sich auch nach einem Vierteljahrhundert nichts geändert, der Name ist noch immer Programm.
Oh so schön ist Panama
Er erinnert an Janoschs Geschichte vom kleinen Bären und dem kleinen Tiger. Für sie ist Panama ein Sehnsuchtsort mit unwiderstehlicher Anziehungskraft. Sie ziehen los, um ihr Paradies zu finden. Nach einer langen Reise kommen sie wieder am Ausgangspunkt an, voller Eindrücke und Erfahrungen. Jetzt haben sie ihren Sehnsuchtsort gefunden, direkt vor der Haustür. „So soll es auch den Kindern gehen, die zu uns kommen“, sagt Leiterin Jana Erler. Mitten in ihrem Wohnviertel haben sie einen Ort zum Toben, Rennen und Freundschaften schließen. Mit den Tieren können sie ganz besondere Erfahrungen sammeln, die für Stadtkinder nicht selbstverständlich sind. So lernen die Kinder, die Pferde zu striegeln, wissen, was Ziegen gerne fressen und dass sich Meerschweinchen über einen sauberen Stall freuen.
Hunde, Schweine und immer Pferde
Dass sich das Areal einmal zu einer kunterbunten Oase entwickeln würde, war vor 25 Jahren kaum vorstellbar. Damals war die Neustadt noch nicht bunt, sondern trist, und das Gelände hinter der 15. Grundschule erinnerte nicht ansatzweise an einen Spielplatz. Als das Jugendamt Anfang der 1990er-Jahre neue Angebote zum Spielen schaffen wollte, bekamen acht Mitarbeiter den Auftrag, in Dresden Abenteuerspielplätze zu errichten. Jens Kalanke war für die Neustadt zuständig und gründete 1992 den Spielplatz Panama. Der war zunächst eigentlich nur als Sommerprojekt gedacht, doch schnell war klar, dass etwas Dauerhaftes entstehen würde. Die ersten beiden Pferde kamen an, später folgten Ziegen, Schafe, Hunde, Schweine und immer wieder Pferde. Die Kinder der Neustadt waren begeistert, trotzdem gab es oft Ärger. Die Grundschule nutzte damals noch die Turnhalle, die heute zum Spielplatz gehört. Die Lehrer mussten mit den Schülern übers Spielplatzgelände gehen und sich den Weg durch die freilaufenden Hunde bahnen. Das führte zu Unmut und Konflikten. Als dann noch ein Pferd den Fensterrahmen eines Nachbarn anknabbert, geht es vor Gericht.
Jahrelang gibt es Streit, auch wegen der tierischen Gerüche, die über dem Gelände schweben. Doch die Neustädter kämpfen für ihr Panama, und Kalanke zieht sogar mit einem Pferd vors Jugendamt. Letztendlich darf der Spielplatz bleiben. Allerdings wird die Zahl der Tiere begrenzt, fortan dürfen nur noch fünf Pferde und vier Ziegen und Schafe auf dem Gelände gehalten werden, Schweine sind nicht mehr erlaubt. Im Herbst 1999 wird der Spielplatz umgebaut und neu gestaltet. Die Kinder bekommen ein Holzschiff zum Spielen und die Pferde einen Stall mit Auslauf.
Derzeit gehören etwa 40 Kinder zum „Stammpublikum“. Die meisten von ihnen kommen jeden Tag. Ihnen stehen die Sozialpädagogen der Treberhilfe zur Seite, die den Platz seit 2008 betreibt. Die Kinder können auf dem 4 500 Quadratmeter großen Gelände Buden bauen, sich um die Tiere kümmern, mit den Mitarbeitern basteln oder auch mal vom Kummer daheim erzählen. Am Donnerstag und Freitag dürfen keine Eltern aufs Gelände, als Ausgleich gibt es den Familiensonntag.
Anlässlich des Jubiläums ist im Ortsamt Neustadt noch bis Mitte September eine Fotoausstellung mit Bildern aus der Geschichte des Spielplatzes zu sehen. Am 19. August wird das Jubiläum dann auf dem Panama-Gelände gefeiert. Zudem soll ein Buch erscheinen, in dem auch die Kinder zu Wort kommen und erzählen, warum der Panama-Spielplatz ihr Sehnsuchtsort ist.