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Odyssee durch den Schnee

Der Wintereinbruch hat am Mittwoch auf den Straßen für Chaos gesorgt. Eine Löbauerin erzählt von ihrer Irrfahrt.

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© SZ Thomas Eichler

Von Marcus Scholz

Am Donnerstag kann Silvana Scholz schon wieder lachen. Einen Tag zuvor ist ihr der Spaß aber gehörig vergangen. So, wie vielen anderen Menschen im Landkreis Görlitz auch, hat der plötzliche Wintereinbruch der Löbauerin sprichwörtlich ein Bein gestellt.

Gegen 16 Uhr macht Frau Scholz Feierabend. Bis nach Hause hat sie es eigentlich nicht weit. Die 50-Jährige arbeitet in Ebersbach und muss lediglich durch Kottmarsdorf und Großschweidnitz fahren, um ins heimische Löbau zu gelangen. Das dauert bei Einhaltung der vorgegebenen Höchstgeschwindigkeit und geregelten Verkehrsaufkommen ungefähr eine Viertelstunde. Aber nicht an jenem verschneiten und eisigen Mittwoch. „Kurz bevor ich losfahren wollte hat mir ein Kollege gesagt, dass am Kottmarsdorfer Berg nichts mehr geht“, sagt Silvana Scholz. Ihr Glück versuchen will sie aber trotzdem und fährt, anfangs noch frohen Mutes, in Richtung Ebersbacher Ampelkreuzung am „Goldenen Löwen“. Doch dann bewahrheitet sich das, was die Löbauerin nur einige Minuten zuvor von ihrem Kollegen erfahren hat. „Die Kreuzung war dicht und ein Polizist regelte den Verkehr“, so Frau Scholz. Um jetzt zurück nach Löbau zu kommen, entschließt sich die 50-Jährige nach links auf die B 96 abzubiegen. Der Plan dahinter: Die Sperrungen in Kottmarsdorf über Ebersbach, Friedersdorf, Neusalza-Spremberg, Schönbach und Lawalde zu umfahren, um am Ende der Odyssee sicher in Löbau anzukommen. Einfach ist das aber nicht. „Die Fahrt war eine echte Herausforderung“, sagt Silvana Scholz. Sämtliche Straßen hätten ausgesehen wie ein zugefrorener Teich und selbst die scheinbar kühnsten Raser den Bedingungen klein beigegeben. „Den Menschen auf der Straße muss man ein Kompliment machen. Sie waren alle vorsichtig und mit genügend Abstand zum Vordermann unterwegs“, so die Löbauerin. Mehr als Fahren im ersten Gang sei dabei über weite Strecken der unfreiwilligen Wintertour nicht möglich gewesen. Der heikelste Moment hat sich laut Silvana Scholz am Berg zwischen Friedersdorf und Neusalza-Spremberg abgespielt. „Dort ist mir das Herz mehrmals in die Hose gerutscht, weil alle Autos angefangen haben zu schlingern und niemand mehr so richtig Kontrolle über die Situation hatte“, sagt sie.

Am Winterdienst lässt die Angestellte derweil kein gutes Haar. Im Wetterbericht sei der Wintereinbruch schon Tage vorher angekündigt worden, so Frau Scholz. Es sei eine Frechheit, dass sich sämtliche Straßen in so einem miserablen Zustand präsentiert haben. „Als Arbeitnehmer muss ich mich auch über das Wetter informieren. Vom Winterdienst erwarte ich das erst recht“, sagt die Löbauerin. Ihrer Meinung nach sollte das Räumkonzept, vor allem das für den Kottmarsdorfer Berg, überdacht werden. Gerade für Rettungswagen sei das eine wichtige Straße, und die sollte immer befahrbar sein.

Nach etwas über einer Stunde Irrfahrt erreicht Silvana Scholz schließlich unbeschadet und erleichtert ihre Wohnung. „Zum Glück hatte ich nach der Arbeit keine wichtigen Termine“, sagt sie.

Doch nicht alle Verkehrsteilnehmer haben den verschneiten Mittwoch so glimpflich überstanden. Die Polizeidirektionen in Görlitz und Bautzen haben für ihre Landkreise in 24 Stunden etwa 100 registrierte Unfälle gezählt. Allein 50 davon zwischen 12 und 17 Uhr. Unfallspitzenreiter im Landkreis Görlitz ist das Revier Oberland/Zittau mit 29 gefahrenen Einsätzen. „An normalen Tagen haben wir in etwa so viel im gesamten Direktionsbereich“, berichtet Polizeisprecher Tobias Sprunk. Einer der größten Unfälle hat sich dabei in Ostritz auf der B 99 ereignet. Dort ist am Mittwochnachmittag ein Brummi mit einem Pkw zusammengestoßen, weil der Lkw-Fahrer in den Gegenverkehr geraten ist. Ein 13-Jähriger aus dem Unfallauto hat sich dabei verletzt. Und auch dem herannahenden Rettungswagen haben die Straßenverhältnisse zu schaffen gemacht. Etwa 100 Meter vor der Unfallstelle ist er ins Rutschen gekommen und in den Graben geschliddert. Erst ein zweiter Wagen hat den verletzten Jungen schließlich ins Klinikum bringen können. (mit tc)