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Oberlausitz-Reise in die Vergangenheit

Vor rund 300 Jahren sind die Schwenckfelder als Glaubensflüchtlinge auch aus Berthelsdorf in die USA geflohen. Jetzt kehren ihre Nachfahren zurück.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Alexander Buchmann

Landkreis. Görlitz, Königshain, Herrnhut, Berthelsdorf, Zittau und dazwischen verschiedene Besichtigungen und Termine. Der Zeitplan der amerikanischen Reisegruppe, die in dieser Woche im Landkreis unterwegs ist, ist straff. Das nimmt die 32-köpfige Gruppe aber gerne in Kauf. Denn ihr Besuch ist mehr als eine bloße Urlaubsreise. Sie sind auf den Spuren der Schwenckfelder unterwegs. Die Religionsgemeinschaft, die nach dem Reformator und Theologen Kaspar Schwenckfeld benannt wurde, musste Mitte des 18. Jahrhunderts aus Schlesien und der Oberlausitz fliehen und hat dabei im heutigen Landkreis Görlitz haltgemacht, ehe 218 von ihnen nach Amerika ausgewandert sind.

Mit einer Reisegruppe entdecken sie derzeit den Kreis Görlitz.
Mit einer Reisegruppe entdecken sie derzeit den Kreis Görlitz. © Pawel Sosnowski/80studio.net

„Wir gehen Wege entlang, die unsere Vorfahren vor 300 Jahren gegangen sind“, erklärt David Luz, der die Reisegruppe anführt. Er ist Geschäftsführer des Schwenkfelder Library & Heritage Center in Pennsburg im US-Bundesstaat Pennsylvania. Das ist eine Mischung aus Museum und Zentrum für Erwachsenenbildung, und bewahrt das Erbe der ausgewanderten Schwenckfelder. „Es ist inspirierend für uns, hier zu sein“, erklärt David Luz am Dienstag beim Besuch des Schlosses in Königshain. Es helfe ihnen, die eigene Geschichte beziehungsweise das Erbe besser zu verstehen. Das wisse man zu schätzen, so Luz. Denn ein Großteil der Gruppe, der auch einige jüngere Gäste angehören, stammt von eben jenen 218 schlesischen Auswanderern ab. Während der Religionsgemeinschaft der Schwenckfelder laut Luz in den USA nur etwa 2200 Personen angehören, gehe die Zahl der Nachkommen in die Tausende.

Zwei von ihnen sind auch die Brüder James und Paul Wiegner. Sie stammen in zehnter Generation von Georg Wiegner ab, einem der damaligen Auswanderer, wie Paul Wiegner nicht ohne Stolz erzählt. Dieser habe nach der Flucht aus Schlesien in Berthelsdorf gewohnt. Bei einem ersten Besuch in der Region vor einigen Jahren habe er den Ort schon einmal besucht, sagt der 70-Jährige. Dabei sei er von den Bewohnern eines historischen Hauses eingeladen worden, sich das Innere des Gebäudes anzusehen. Im Gespräch habe der Besitzer ihm dann erzählt, dass das Haus wohl von den Wiegners gebaut worden sei. Es besteht also die Möglichkeit, dass das sein Vorfahre gewesen sei, so Paul Wiegner.

Zur Reisegruppe gehören aber auch Mitarbeiter des Centers, die selbst keine Verbindungen zu den Schwenckfeldern haben. So zum Beispiel Dr. Allen Viehmeyer. Der ehemalige Professor für Germanistik an einer Universität in Ohio unterstützt die Einrichtung seit seiner Pensionierung als Associate Director of Research, also Verantwortlicher für die Recherche, mit seinen Sprachkenntnissen. Bei seinen Forschungen zur Geschichte der Deutsch-Amerikaner sei er jedoch auf die Gemeinschaft gestoßen, und sie habe ihn seither nicht mehr losgelassen.

Auch in Königshain – wo die Schwenckfelder damals gar nicht waren – gibt es Berührungspunkte mit der Vergangenheit. Die Verbindung zu den Schwenckfeldern gibt es über die ehemaligen Schlossherrn von Schachmann und deren Verbindung zur Herrnhuter Brüdergemeine. Als die Schwenckfelder 1726 aus Schlesien fliehen mussten und in und um Görlitz zumindest zeitweise Zuflucht gefunden haben, habe der Begründer der Brüdergemeine, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, ihnen Land gegeben, wo sie siedeln konnten, erklärt Margrit Kempgen, die als Führerin und Übersetzerin die Gruppe begleitet. Sie engagiert sich zudem für den Erhalt des sogenannten Schwenckfeldhauses. Es ist das einzige, im Original erhaltene Gebäude, das die Schwenckfelder in Berthelsdorf errichtet haben. Es diente ihnen wohl weniger als Wohnhaus, sondern als Bet- und Versammlungsraum.

Obwohl es für einige der Besucher nicht der erste Besuch in der Heimat ihrer Vorfahren ist, hören doch alle gespannt zu und entdecken immer wieder Neues. Er selbst führe bereits seit 2007 Gruppen auf Touren nach Deutschland, erzählt David Luz. Die aktuelle sei seine vierte. Während er Görlitz dabei schon zuvor kennen und lieben gelernt hat – O-Ton Luz: „I love Görlitz“ – ist er nun zum ersten Mal in Königshain. Durch das immer neue Programm sind die Reisen nach Deutschland auch nie gleich, sodass sich einige Amerikaner eben mehrfach entscheiden, dabei zu sein.

Auch die Gäste sind nicht mit leeren Händen gekommen und haben unter anderem Hefte und Postkarten aus ihrem Center mitgebracht. Letztere zeigen einige der dort ausgestellten Gegenstände. Weil die Schwenckfelder damals all ihren Besitz mitgenommen hätten, handle es sich bei den Stücken um Originale, erklärt Margrit Kempgen. Und einige Kopien dieser Erinnerungsstücke hätten auch die Berthelsdorfer gern für ihr Museum. (mit SZ/abl)