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Obdachloser kehrt ins Dorf zurück

Über Wochen hatte ein Mann für Aufsehen gesorgt, dann wurde er verhaftet. Ihm drohten mehr als fünf Jahre Knast. Jetzt ist er aber wieder draußen.

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© Archiv/ Sebastian Schultz

Von Eric Weser

Wülknitz. Gibt es ein Wiedersehen in Wülknitz? Der Mann, der im Herbst aus seiner Wohnung geflogen war, über Wochen im leeren Bahnhofsgebäude hauste und Anwohnern durch aggressives Verhalten auffiel, soll in die Gemeinde zurückkehren. So sieht es das Urteil des Dresdner Landgerichts vor, das Anfang Juli gegen den Mann verhängt und am Freitag rechtskräftig wurde.

Während der vergangenen Monate hatte der Wülknitzer in Untersuchungshaft gesessen. Ende 2015 war er beim Lebensmittel-Diebstahl auf frischer Tat ertappt worden. Polizeibeamte hatten den damals Obdachlosen festgenommen, als er an einem Wülknitzer Einkaufsmarkt mit einem Rucksack voll Diebesgut flüchten wollte. Dabei war auch der Zündschlüssel eines gestohlenen Wagens der Marke Dacia bei dem Mann entdeckt worden. Das Firmenfahrzeug und noch mehr Diebesgut fanden die Beamten in der Nähe. Mit dem Auto, das der seinerzeit 27-Jährige vom Gelände der Gröditzer Schmiedewerke geklaut hatte, war er an die Ostsee und wieder zurück gefahren – zwei Tankstopps ohne Bezahlung inklusive. Er habe unbedingt das Meer sehen wollen, hatte der Mann als Angeklagter bei Gericht erzählt.

Vorm Dresdner Landgericht musste sich der Wülknitzer aber nicht nur wegen der Vergehen rund um den Ostsee-Trip verantworten. Bereits im Oktober 2015 war er einem Gröditzer Handwerker auf die Motorhaube von dessen Auto gesprungen. Bei dem Vorfall auf dem Verbindungsweg zwischen Tiefenau und Wülknitz soll der Wülknitzer versucht haben, den 44-jährigen Gröditzer aus dem Auto zu ziehen und das Fahrzeug zu erbeuten. „Ich war total schockiert. Denn der sah aus, wie ein Zombie – mit blutunterlaufenen Zähnen und merkwürdig milchigen Augen“, hatte sich der Gröditzer Handwerker im Zeugenstand erinnert. Die Staatsanwaltschaft hatte diesen Vorfall als „Räuberischen Angriff auf Kraftfahrer“ gewertet. Auf dieses selten verhandelte Delikt steht eine Mindeststrafe von fünf Jahren – weshalb sich statt eines Amtsrichters auch gleich die Große Strafkammer beim Dresdner Landgericht damit beschäftigen musste.

Doch die Verhandlung ging für den Wülknitzer, der bisher nur einmal wegen Körperverletzung bestraft worden war, glimpflich aus. Verurteilt wurde er wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Nötigung und Sachbeschädigung. Außerdem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Das Gericht ahndete zudem den Autodiebstahl und das Fahren ohne Fahrerlaubnis, Betrug in zwei Fällen sowie weitere Diebstähle. Unterm Strich kamen anderthalb Jahre Freiheitsstrafe heraus, die auch zur Bewährung wurden, so ein Gerichtssprecher. Seit dem Richterspruch Anfang Juli ist der Wülknitzer wieder auf freiem Fuß. Um es weiterhin bleiben zu dürfen, muss der Endzwanziger sich regelmäßig beim Facharzt psychiatrisch untersuchen lassen. Außerdem muss er zur Suchtberatung gehen. Auch ein fester Wohnsitz ist Pflicht. Hält er sich nicht an die Auflagen, droht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.