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OB Erler verliert die Fassung

Der Rathauschef soll einen Unternehmer aus Bischofswerda beleidigt haben. Sonnabendfrüh beim Semmelnkaufen.

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© Thorsten Eckert

Von Gabriele Naß

Bischofswerda. Bischofswerda bleibt rund um seinen Oberbürgermeister Andreas Erler (CDU) aber auch nichts erspart: jahrelange Gerichtsstreite wegen unfairem Wahlkampf von ihm selbst und von Parteifreunden; fähige junge Rathausmitarbeiter, die nach kurzer Amtszeit auch seinetwegen kündigen; ein drohendes Abwahlverfahren; Stadträte, die der Vereidigung des OB aus Protest fernbleiben – und jetzt auch noch eine öffentlich gewordene Entgleisung. „Das geht dich gar nichts an, du Arsch“, sagt OB Erler an einem Sonnabend im Herbst zu Fahrschulinhaber Klaus-Peter Gössel.

Die beiden Männer treffen sich früh 6.15 Uhr zufällig beim Bäcker. Erler auf dem Fahrrad, wie man ihn in seiner Freizeit oft sieht. Fährt er vorschriftsmäßig? Eben nicht, meint Gössel und zählt den OB an, weil der auf dem Fußweg fährt, was Erwachsenen nicht erlaubt ist. „Der OB ist doch unser oberster Ordnungshüter in der Stadt, oder nicht?“ Ehefrau Gössel fordert, der OB solle Vorbild sein.

Mit dem Rad auf dem Fußweg

Beim Bäcker soll Andreas Erler radelnd auf dem Fußweg angekommen sein. Das stört Fahrschullehrer Gössel dermaßen, dass er sich traut zu sagen, „auf dem Fußweg fährt man aber nicht mit dem Fahrrad, Herr Oberbürgermeister“. Die Antwort, die wir schon kennen, kommt prompt und jetzt darf sich Bischofswerda natürlich fragen: Wo ist „du Arsch“ einzuordnen? Bei Andreas Erler als OB oder bei Andreas Erler als Privatmann, der in Ruhe seine Semmeln kaufen will. – „So was sollte natürlich nicht passieren. Aber ein Bürgermeister ist auch nur ein Mensch, und jeder Mensch verliert mal die Fassung. Das ist menschlich“, sagt Bernd Grüber, Erlers Parteifreund und Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. Insgesamt scheint Stadträten, die durch Klaus-Peter Gössel in einem Brief informiert worden sind, die Sache eher unangenehm. Und nicht geeignet, dem OB mal wieder genüsslich Versagen unter die Nase zu reiben. Heulen oder lachen?

Für Fahrschullehrer Gössel ist die Sache ernst. „Was hat Herr Erler für ein Benehmen mir gegenüber, mir als Unternehmer, Einwohner und Steuern zahlender Bürger der Stadt Bischofswerda?“, fragt er sich einerseits. Und andererseits will er wissen, ob „Herr Erler mit seinem Benehmen als Oberbürgermeister und damit Repräsentant der Stadt überhaupt noch tragbar ist“. Andreas Erler ist seit 1990 Chef im Rathaus Bischofswerda, erst Bürgermeister, dann OB. Zur Wahl im Juni nächsten Jahres will er nicht mehr antreten. Auch deswegen wird wohl jetzt niemand mehr die Sache vom Bäcker an die groß Glocke hängen.

Öffentlich entschuldigen?

Der Unternehmer Gössel erwartet allerdings, dass sich sein OB öffentlich entschuldigt. Das hat Andreas Erler inzwischen im Stadtrat getan. Wie so oft leise sprechend. Nur das Nötigste sagend. Aber sachlich. „Es handelt sich offenbar um ein persönliches Problem zwischen Ihnen und mir. Ich habe ein Gespräch angeboten. Bisher hat sich kein Termin gefunden. Ich bin aber dafür, dass wir den finden“. Die Entschuldigung selbst hatte Klaus-Peter Gössel zuvor schon per Mail erreicht. Der Fahrschulinhaber will trotzdem noch mit dem OB sprechen. Wegen Radfahrens auf dem Fußweg soll er den Oberbürgermeister schon mehrfach angesprochen haben. Beim Bäcker schaukelte sich das nun hoch. – Die Gössels warnen: „Fahrradfahrer können eine große Gefahr sein, wenn sie auf dem Fußweg unterwegs sind. Wer straft sie dafür mal ab?“ Und wer hat Schuld, „wenn der Radfahrer auf dem Fußweg kommt, ihn der Autofahrer dort nicht vermutet, nicht sieht und „er mir über die Kühlerhaube fliegt?“