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Nur noch drei Jahre Gnadenfrist

Die Handwerkskammer schließt das Bildungszentrum in der Stadt, weil sie in Dresden neu baut. Grund ist die Hochwassergefahr.

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© Kristin Richter

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Am Montagmorgen haben es Handwerkskammerpräsident Jörg Dittrich und Hauptgeschäftsführer Andreas Brzezinski in Dresden offiziell verkündet: Das Bildungszentrum in Großenhain-Großraschütz wird geschlossen. Im Juli 2020 soll es an den Freistaat zurückgegeben werden, mit dem die Kammer einen Erbbaupachtvertrag hat. Die Unterschriften dafür sind schon getätigt, hieß es. Die derzeit 40 Mitarbeiter gehen nach Dresden wo gestern Nachmittag für ein neues Bildungszentrum der erste Spatenstich mit viel Prominenz gefeiert wurde.

Das Aus für Großenhain bahnte sich bereits 2009 an. Da hatte die Vollversammlung der Handwerkskammer Dresden beschlossen, ein Grundstück für ein neues Bildungszentrum zu suchen. Zwei Jahre später wurde ein Gelände in der Dresdner Albertstadt gekauft. „Eine 2009 in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie ergab, dass ein Verbleib am akut hochwassergefährdeten Standort Großenhain nicht wirtschaftlich ist“, so Präsident Dietrich. Selbst eine Sanierung oder ein Neubau an der Großen Röder wären kostenintensiver als der Neubau in Dresden. Tatsächlich wurde das BTZ in Großraschütz vom Hochwasser 2002 und 2010 überflutet – allerdings floss im Nachhinein auch viel Geld in den Hochwasserschutz an diesem Standort.

Ausbildung wird konzentriert

“Großenhain hat uns sehr gut und sehr lange gedient“, zieht Geschäftsführer Brzezinski den endgültigen Schlussstrich. Die Brandschutztechnik sei aber veraltet. Auch die Betriebskosten zum Beispiel für einen Kinosaal stünden in keinem Verhältnis. Die Stadt und Landtagsabgeordnete hätten zwar stark gegen die Schließung interveniert. Am Ende sei Großenhain in der Kosten-Nutzen-Rechnung aber keine Option gewesen. Was der Freistaat mit dem Komplex ab 2020 machen will, entziehe sich seiner Kenntnis, so der Geschäftsführer. Es sei zwar der Wunsch des Handwerks, im Zuge der Modernisierung die Bildungsstätten an einem Platz zu konzentrieren. Der bisherige Standort in Dresden und die Außenstelle in Pirna bleiben aber auch weiterhin erhalten.

Nur reichlich 20 Jahre hat der neue Teil des Bildungszentrums in Großraschütz auf dem Buckel. Im November 1996 war der Lehr- und Werkstattkomplex eingeweiht worden, damals maßgeblich vorangetrieben durch den Handwerkskammer-Präsidenten Wolfgang Wilhelm. Der wohnt in Großenhain. Die Mitarbeiterzahl war seinerzeit doppelt so hoch. 1991 ist das alte BTZ aus der Großraschützer Landtechnik-Schule hervorgegangen – ein über 100 Jahre altes Gebäude.

Moderne Handwerksausbildung sieht heute schon anders aus als vor 20 Jahren. Deshalb werden knapp 40 Millionen Euro in die Aus- und Weiterbildungsstätte in Dresden-Nord investiert, die im Frühjahr 2019 eröffnen soll. Nicht nur die Meisterausbildung, sondern auch hochklassige Fortbildung und überbetriebliche Lehrunterweisung sollen hier genau gegenüber dem Kammerstandort stattfinden.

Die Chefs der Handwerkskammer entschieden sich gegen die Vergabe an einen Generalübernehmer und für Aufträge in rund 65 Einzellosen – im Sinne des regionalen Handwerks und Mittelstandes, betont Präsident Jörg Dittrich. 80 Prozent des Auftragsvolumens müssen wegen der rund 50-prozentigen Förderung dennoch europaweit ausgeschrieben werden.

30 Werkstätten für Metallbearbeitung, Elektrotechnik, Sanitär, Heizung und Klima, sowie für die Schweiß- und Kunststofftechnik plus die erforderlichen Prüflabore der Metalltechnik werden entstehen. Mit vier werkstattnahen Unterrichtsräumen, in Werkstätten integrierten Lerninseln und zwei großen zentralen Seminarräumen sollen neue Standards in der dualen Aus- und Weiterbildung gesetzt werden.

Das Herzstück ist laut Plan ein Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien und Energieeffizienz, das zur Darstellung besonderer energetischer Situationen, auch von Neuheiten bei Material und Technologien dient. Hier sollen Sicherheits- und Gebäudetechnik demonstriert und neue Lehrgänge für die Praxis erprobt werden. Damit will die Handwerkskammer durch Bildung den Sprung in die Zukunft schaffen – Zuschauen von außen inclusive.

Der gefeierte Neubau sollte eigentlich schon vorigen Sommer in Betrieb gehen. Tatsächlich erhielt die Handwerkskammer 2015 bereits die Fördermittelzusagen. Doch laut Andreas Brzezinski gab es Umplanungen bei der Heiztechnik. Mit Pelletheizung und Wärmepumpe wird nun Behaglichkeit erzeugt. Auch da will man ganz fortschrittlich sein. Wie das neue Bildungszentrum aussehen wird, können sich Besucher im Foyer des Kammergebäudes an einem Modell anschauen.

Wird es künftig aber auch genügend Lehrgangsteilnehmer geben? Jörg Dittrich ist optimistisch. „Wir investieren gegen den Trend“, sagt er. 2016 nahmen circa 3 700 Teilnehmer an über 320 Fortbildungen teil, es gab über 2 700 Auszubildende und über 820 Teilnehmer an Vorbereitungslehrgängen zur Meisterprüfung. Damit es noch mehr werden, will die Kammer mit modernsten Bedingungen vorangehen.