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Nur jede zweite Straftat wird aufgeklärt

In der Stadt und den Ortsteilen ging die Kriminalität im vergangenen Jahr zurück. Es gibt aber eine „Qualitätssteigerung“.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Lommatzsch. In Lommatzsch ist die Welt in Ordnung. Jedenfalls, was Straftaten angeht. Deren Anzahl ging nämlich im vergangenen Jahr zurück von 166 auf 136. 2014 allerdings waren in der Stadt und den Ortsteilen nur 106 Straftaten angezeigt worden. Dies sagte Hermann Braunger, der Leiter des Polizeireviers Riesa. Das ist seit drei Jahren, seit der letzten Polizeireform, auch für die Stadt Lommatzsch zuständig.

Einen Polizeiposten gibt es in Lommatzsch nicht mehr, nur noch einen Standort. Der befindet sich am Markt 5 und ist jeden Donnerstag von 13 bis 16 Uhr besetzt. René Kunze, einer von neun Bürgerpolizisten im Polizeirevier Riesa, kann dann von den Lommatzschern aufgesucht werden. Das heißt aber nicht, dass außerhalb dieser Zeit keine Polizei in Lommatzsch ist. Der Bürgerpolizist ist dann im Außendienst unterwegs. „Mir sind Polizisten ohnehin lieber auf der Straße als im Büro“, so Hermann Braunger. Wenn der Standort nicht besetzt ist, werden die Lommatzscher automatisch mit dem Wachhabenden in Riesa verbunden.

Mit dem neuen Standort am Markt verspricht sich die Polizei auch mehr Besucher als auf der Glashüttenstraße. Im Vergleich zu den beiden anderen Standorten in Gröditz und Zeithain hatte Lommatzsch bisher nur ein Zehntel der dortigen Besucher. In den beiden anderen Städten sitzt die Polizei direkt im Rathaus.

Von den 136 Straftaten, die im vergangenen Jahr in Lommatzsch und den Ortsteilen angezeigt und bearbeitet wurden, betraf der größte Anteil schweren Diebstahl, doch auch der ging zurück von 65 auf 41 Fälle. Die Zahl ist aber mit Vorsicht zu genießen. Denn unter schweren Diebstahl fällt vor allem das Stehlen von angeschlossenen Fahrrädern. „Es ist ein Phänomen, dass ausgerechnet immer Fahrräder gestohlen werden, die ordnungsgemäß gesichert waren“, sagt Braunger mit einem süffisanten Lächeln. Der Grund: Wird ein nicht angeschlossenes Fahrrad gestohlen, zahlt die Versicherung nicht. Deshalb geben fast alle Diebstahlsopfer an, das Fahrrad angeschlossen zu haben. „Fragt man dann aber nach dem Schlüssel für das Schloss, treten die Schweißtropfen auf die Stirn“, so der erfahrene Polizist.

Gleich geblieben ist einfacher Diebstahl mit 23 Fällen, während Vermögensdelikte wie Betrug um die Hälfte von 26 auf 13 Fälle zurückgingen. Mord und Totschlag gab es in Lommatzsch im vergangenen Jahr nicht, dagegen ein Sexualdelikt. Unter diese Kategorie fällt auch der Besitz von Kinderpornografie. Die Polizei registrierte drei Kellereinbrüche, neun Beleidigungen, 17 Sachbeschädigungen und eine Graffiti-Schmiererei. In 15 Fällen wurden Kraftfahrzeuge beschädigt. Dreimal gab es eine gefährliche Körperverletzung. Hier stellt der Polizeichef eine „Qualitätssteigerung“ fest. Es gäbe einen Trend zur Verrohung. Immer öfter werde nicht einfach nur zugeschlagen, sondern die Täter benutzten eine Bierflasche, einen Stock, ein Messer. Jede zweite Straftat in Lommatzsch wurde aufgeklärt.

Ein Problem ist auch im Polizeirevier Riesa Gewalt gegen Polizisten. „Das ist ein gesellschaftliches Problem. Der Respekt vor dem Staat und seinen Beschäftigten sinkt“, sagt Hermann Braunger. Allerdings seien körperliche Angriffe zurückgegangen, dafür gab es mehr Beleidigungen. Der Polizeichef sieht darin auch ein hausgemachtes Problem. „Ich habe in 40 Jahren Polizeidienst keine einzige Anzeige wegen Beleidigung gestellt. Mich kann keiner beleidigen, denn er meint nicht mich als Person, sondern meine Uniform“, sagt er. Körperliche Angriffe gingen aber überhaupt nicht, das sei vor zehn, 15 Jahren gar nicht denkbar gewesen. Unvorstellbar sei auch bis vor einigen Jahren gewesen, dass Rettungskräfte wie Sanitäter und Feuerwehrleute angegriffen würden. „Wenn die Staatsanwaltschaft dann solche Verfahren wegen angeblich fehlenden öffentlichen Interesses einstellt, verliere ich den Glauben an die Menschheit“, sagt Braunger.

Die meisten Täter im Polizeirevier Riesa kämen aus der Altersgruppe zwischen 30 und 40 Jahren. Ein großes Problem sind Verkehrsunfälle mit Senioren. In einem Fall seien die beiden Unfallbeteiligten zusammen 167 Jahre alt gewesen. Doch Braunger ist strikt dagegen, älteren Menschen das Autofahren zu verbieten. „Ich möchte, dass die Senioren mobil bleiben. Sie sind gerade auf dem flachen Land zwingend auf ihr Auto angewiesen“, sagt er. Sie sollten dabei unterstützt werden von technischen Hilfsmitteln wie größeren Rückspiegeln.

Mehr Augenmerk sollten die Einwohner auf Prävention richten. So wurde in ein Einkaufszentrum in Stauchitz fünfmal hintereinander eingebrochen. „Auch beim fünften Mal hatte der Eigentümer immer noch keine Alarmanlage eingebaut. So etwas ärgert mich maßlos.“ Generell ist die Kriminalität in der Stadt Lommatzsch gering. Als Vergleichsmaßstab dient die Hochrechnung der Straftaten auf jeweils 100 000 Einwohner. Da käme Lommatzsch auf 2 720 Straftaten. Das Polizeirevier Riesa mit Lommatzsch kommt im Schnitt auf 6 275 Straftaten, die Stadt Riesa in dieser Hochrechnung auf 8 208. „Überall, wo diese Vergleichszahl unter 3 000 liegt, ist die Welt in Ordnung“, so Hermann Braunger.