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Nur echt mit Katzenhaar

Hochland-Canaletto Roland Schwenke aus Dresden hat Schloss Hirschstein in Öl gemalt. Diesmal ganz ohne Befehl.

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© Sebastian Schultz

Von Jürgen Müller

Landkreis. Der NVA-Offizier läuft rot an vor Wut: „Das ist ein Befehl!“ Soldat Schwenke bleibt nichts anderes, als den Befehl auszuführen. Befehl ist Befehl, da kann man nichts machen, nicht diskutieren und braucht auch nicht darüber nachzudenken, ob er sinnvoll ist oder nicht. Der Befehl war: Roland Schwenke soll für die „Freunde“ ein Bild malen. Ein Ölbild, das einen sowjetischen und einen NVA-Soldaten in enger Waffenbrüderschaft zeigt. Es ist nicht das Motiv, dass Schwenke davon abhält. Er kann einfach nicht mit Ölfarben malen. Denkt er. Denn schon in der Schule kam er mit Wasserfarben nicht zurecht. Deshalb zeichnet er mit Bleistift. Animiert wurde er wie so viele Jugendliche von den Comic-Heften „Mosaik“ von Hannes Hegen. Schwenke malt mit Begeisterung die Digedags nach. Später, bei der NVA, nimmt er die Bilder von den Freundinnen seiner Stubenkameraden , die diese im Spind hängen haben, als Vorlage und macht sich bei den anderen Soldaten damit beliebt.

Malen statt Frieden sichern

Das Talent bleibt den Offizieren nicht verborgen. Und so bekommt Roland Schwenke den Tagesbefehl: Waffenbrüderschaftsbild in Öl malen! Der Befehl hat einen Vorteil. Schwenke bekommt außer der Reihe Ausgang, um Ölfarben zu besorgen. Und staunt über sich selbst: „Es ging prima, die Ölfarben leuchteten so schön“, erinnert er sich. Das Bild ist fertig und noch Farbe übrig. Schon bekommt er den nächsten Auftrag, pardon: Befehl.. Er soll für den Kulturraum ein Landschaftsbild malen. Gerade ist er so schön beim Pinseln, da wird Gefechtsalarm ausgelöst. „Das geht jetzt nicht, wenn die Farben trocken werden, kann ich das Bild wegschmeißen“, sagt Schwenke. Sein Vorgesetzter hat ein Einsehen. Während seine Kameraden den Weltfrieden retten, darf er weitermalen. „Von da an hatte ich bei der NVA eine schöne Zeit“, sagt er und grinst. Während die anderen mit der Waffe in der Hand den Sozialismus verteidigen, kämpft er mit Farbe und Pinsel an der Heimatfront. Und macht sich auch bei den Offizieren beliebt. Malt ein Bild für die Silberhochzeit seines Stabsfeldwebels.

Wieder zu Hause, malt der gelernte Koch weiter. 1976 heiratet er auf Schloss Weesenstein seine große Liebe und entdeckt auch seine Liebe zu Schlössern. Weesenstein ist der erste Schloss, das der heute 62-Jährige in Öl malte. 14 weitere folgten bisher, jetzt auch Schloss Hirschstein. Das kannte der Dresdner nicht, sah eine Abbildung auf einem Stich. Schwenke fuhr hin, war begeistert und malte los. Zufällig lernte er in Meißen einen Antiquitätenhändler kennen. Der Mann ist mit Mitglied im Förderverein Schloss Hirschstein. Schwenke mailte ihm Fotos von seinen Werken, darunter auch von Hirschstein. Schnell war man sich einig. Dieses Ölbild soll im Schloss dauerhaft ausgestellt werden. Ab Januar wird es dort zu sehen sein.

Doch nicht nur Schlösser malt der Mann, der auch der „Hochland-Canaletto“ genannt wird. So entstand für Georg Prinz zu Lippe ein vier Meter großes Elbland-Panorama. Im Zauberschloss Schönfeld hängt ein Schwenksches Ölbild von Christian August von Friesen, für Schloss Lauterbach hat er Kaiserin Maria Theresia gemalt. Sieht sich der Autodidakt als Künstler? Er überlegt einen kurzen Augenblick, sagt dann: „Wenn ich vor dem Bild von Maria Theresia stehe, dann sage ich ja.“

Die Ladys liefern zu

Schwenke hat eine Eigenart. Seine Bilder sind nur echt mit einem Katzenhaar. „Lieferantin“ war Katze Lady. Als diese – vermutlich wegen akuten Barthaarmangels – das Zeitliche segnete, kam Lady II. Entstanden ist das durch einen Zufall. Schwenke hatte gerade auf einem Bild ein abstehendes Haar gemalt, als ein Barthaar der Katze auf das Bild fiel. „Ich holte eine Pinzette, wollte es herausziehen. Als ich zurückkam, wusste ich nicht mehr, welches das gemalte und welches das echte Haar war. So ließ ich es einfach“, sagt er. Seitdem ist in jedem Bild ein Katzenhaar versteckt.

Am liebsten malt er übrigens bei Musik von Helene Fischer. Die hat er mal bei einem Konzert in Coswig getroffen. Schwenke zeigte ihr Bilder und sagte, dass diese alle bei ihren Titeln entstanden seien. Begeistert schrieb sich die damals noch ziemlich unbekannte Sängerin in sein Gästebuch ein. Das haben auch zum Beispiel Gunter Emmerlich, Uwe Steimle, Dorit Gäbler, Alexandra Prinzessin zur Lippe gemacht.

Sein Atelier hat er in Dresden-Gorbitz in seiner Wohnung, „in der Platte“, wie er sagt. Sein „Herrenzimmer“ hat er zum Atelier umfunktioniert. An der Decke hängt ein Kronleuchter, er hat Stuck angebracht, die Wände sind Samtgrün gestrichen, der Fußboden mit dicken Teppichen belegt, an den Wänden hängen seine Bilder in Goldrahmen. „Es ist wie in einem Schloss“, schwärmt er. Hier entstehen seine Kunstwerke, hier sitzt er oft bis spät in die Nacht, allein mit sich, der Welt und den Farben. Er arbeitet ganz ohne Befehl. Meistens jedenfalls: Manchmal steht plötzlich nachts seine Frau in der Tür. „Komm´ jetzt ins Bett!“ Dann weiß er: Befehl ist Befehl.