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NSU-Ausschuss legt Bericht vor

Der NSU-Untersuchungsausschuss äußert scharfe Kritik an den Sicherheitsbehörden - und das fraktionsübergreifend von der Union bis zur Linken.

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© dpa

Berlin. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat sich fraktionsübergreifend auf Konsequenzen aus den Ermittlungspannen bei der Neonazi-Mordserie verständigt. 47 Empfehlungen aus dem Untersuchungsbericht sollen dazu beitragen, ähnlich schwere Behördenfehler künftig zu vermeiden. Der Bericht sollte am Donnerstag Bundestagspräsident Norbert Lammert übergeben werden. Am 2. September befasst sich das Parlament in einer Sondersitzung damit.

Der Vorsitzende des Ausschusses, Sebastian Edathy (SPD), sprach von einem systemischen Versagen der Behörden. Im Deutschlandradio Kultur sagte er, es müsse nun nach Wegen gesucht werden, damit sich „ein solches massives, historisch beispielloses Behördenversagen“ nicht wiederholen kann.

Im ZDF-“Morgenmagazin“ forderte Edathy mehr Polizeibeamte mit ausländischen Wurzeln. Nötig sei zudem mehr Sorgfalt bei Aus- und Weiterbildung auch mit Blick auf eine interkulturelle Gesellschaft. Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt - neun davon an türkisch- und griechischstämmigen Migranten. Polizei und Nachrichtendienste waren der Bande über Jahre nicht auf die Spur gekommen. Die Neonazis flogen erst Ende 2011 auf.

Hintergrund: Empfehlungen zur Reform der Sicherheitsbehörden

1. Polizei

„Es muss eine „Fehlerkultur“ in den Dienststellen entwickelt werden.“

„“Interkulturelle Kompetenz“ muss ein fester und verpflichtender Bestandteil der Polizeiausbildung sein (...).“

„Die Kommunikation mit Opfern beziehungsweise Hinterbliebenen, deren nächsten Angehörigen und ihnen nahestehender Personen ist eine (...) wichtige Aufgabe, die von dafür speziell geschulten Beamten wahrgenommen werden soll.“

2. Justiz

„(..) die Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und die Aus- und Fortbildung für Staatsanwälte und Justizvollzugsbedienstete müssen die Grundlage dafür legen, dass Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in ihrer Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden.“

3. Verfassungsschutz

„In den Verfassungsschutzbehörden wird ein umfassender Mentalitätswechsel und ein neues Selbstverständnis der Offenheit gebraucht - und keine „Schlapphut-Haltung“ der Abschottung.“

4. V-Leute der Sicherheitsbehörden

„Der Ausschuss fordert klare Vorgaben hinsichtlich der Auswahl und Eignung von Vertrauensleuten (u. a. bezüglich Vorstrafen), für deren Anwerbung und die Beendigung der Zusammenarbeit.“

Einzelpunkt Demokratieförderung und Unterstützung durch den Bund

„Der Ausschuss spricht sich mit Nachdruck für eine Neuordnung der Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus aus, die für Verlässlichkeit sorgt und Planungssicherheit bietet.“

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Die Unionsfraktion lobte den fraktionsübergreifenden Konsens im Untersuchungsausschuss. Unions-Obmann Clemens Binninger betonte, die Union halte zusätzliche eigene Empfehlungen nicht für notwendig. „Der Bericht ist stark und mächtig genug“, sagte Binninger. Die SPD hatte am Mittwoch zusätzliche Forderungen veröffentlicht und unter anderem von „rassistisch geprägten Verdachts- und Vorurteilsstrukturen“ in der Polizei gesprochen. Das wurde inzwischen von der Gewerkschaft der Polizei (GDP) als „inakzeptable, wahlkampfgeschwängerte politische Schwafelei“ zurückgewiesen.

Nach vorab bekanntgewordenen Passagen äußert der Abschlussbericht scharfe Kritik an den Sicherheitsbehörden und stellt eine „beschämende Niederlage der deutschen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden“ fest. Das zitiert die „Berliner Zeitung“ (Donnerstag) aus dem mehr als 1000 Seiten starken Papier. Deutlich geworden seien schwere Versäumnisse und Fehler der Behörden sowie Organisationsmängel bis hin zum Organisationsversagen bei Behörden von Bund und Ländern. (dpa)