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NPM gibt ihre Produktion in Meißen auf

Der Porzellanhersteller verkauft seine Anlagen und Formen. Ein anderer Keramikproduzent bezieht die Halle.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson und Ingolf Reinsch

Meißen/Neukirch. Die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen (SPM)wird künftig der einzige Betrieb in der Stadt sein, welcher Geschirr in größeren Stückzahlen herstellt. Das geht aus einem Schreiben des Geschäftsführers der Neuen Privaten Porzellangesellschaft Meissen/Germany (NPM) hervor. Darin heißt es, die Produktion in der Stadt werde nach „den letzten beiden erfolgreichen Geschäftsjahren“ beendet. Dafür seien weder juristische, noch wirtschaftliche, sondern private Gründe ausschlaggebend.

Hat neben Keramik-Tassen wie hier für den Striezelmarkt, bald auch Porzellantassen im Schrank: Andreas Kannegießer führt in seiner Lausitzer Manufaktur die NPM-Linien weiter.
Hat neben Keramik-Tassen wie hier für den Striezelmarkt, bald auch Porzellantassen im Schrank: Andreas Kannegießer führt in seiner Lausitzer Manufaktur die NPM-Linien weiter. © Steffen Unger

In der Vergangenheit hatte das Unternehmen durch Markenstreitigkeiten mit der Porzellan-Manufaktur immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit gestanden. Stein des Anstoßes für den Staatsbetrieb war die Herkunftsangabe Meissen/Germany der NPM-Produkte. Die Kosten für die endlosen Verfahren erreichten Weber zufolge über die Jahre einen fünfstelligen Euro-Bereich. Die Auseinandersetzung drohte zu eskalieren, als Anfang 2014 bekannt wurde, die Manufaktur habe sich die Wortmarke Meissen und die Wort-/Bildmarke Meissen Couture für 45 verschiedenen Kategorien im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) eintragen lassen. Die Spannbreite der Produkte in den sogenannten Nizza-Klassen reichte von Körperpflegemittel über Tabakwaren, bis hin zu Peitschen und Risotto. Weber beklagte wiederholt die mangelnde Unterstützung der Stadt in der Auseinandersetzung mit der SPM und drohte an, die Produktion zu verlagern.

Nach der Übernahme der Meissen-Geschäftsführung durch Tillmann Blaschke gelang es diesem in den letzten mehr als zwei Jahren, durch stetige und ruhige Diplomatie hinter den Kulissen an dieser Front für Ruhe zu sorgen. Mit den Kontrahenten sei Frieden geschlossen worden, heißt es von der Neuen Porzellangesellschaft im Gewerbegebiet Zaschendorf.

Die Firma hat ihre Anlagen, Geräte, Maschinen, Werkzeuge und Formen nach eigenen Angaben zur Saxonia Feinsteinzeug Manufaktur im Lausitzer Städtchen Neukirch ausgelagert. In den vergangenen Jahren hatte die NPM vor allem mit dem Geschirr der Linie Bonapart gute Umsätze erzielt. Vertrieben wurde das Gebrauchs- und Zierporzellan unter anderem über Pfunds Molkerei in Dresden. Daneben zählten Sanitärartikel wie Seifenspender oder Ablageflächen zum Sortiment des Mittelständlers.

Kunden weltweit

Zu den beiden etablierten Saxonia-Marken Kannegießer Keramik und Heise Original Bunzlau kommt nun in Neukirch ein komplett neues Geschäftsfeld hinzu. Die 1824 gegründete Töpferei, welche seit 1910 in Besitz der Familie Kannegießer ist, steigt in die Herstellung von Porzellan ein.

„Für uns ist es ein weiteres wirtschaftliches Standbein“, sagt Firmenchef Andreas Kannegießer. Sein Betrieb übernimmt die Erzeugnisse, das Know-how, einen Teil der Maschinen und den Kundenstamm. Bis Ende März 2018 sollen in Neukirch die Voraussetzungen geschaffen werden, um Porzellan herzustellen. „Ein sportliches Ziel“, so der Firmenchef. Er liebäugelt bereits seit längerer Zeit mit der Herstellung von Porzellan für die Tischkultur. Dafür gibt es mehrere Gründe. Das Unternehmen stellt mittels moderner CNC-Technik schon jetzt Werkzeuge für Porzellanhersteller deutschlandweit her. „Wir haben damit in Zukunft die Möglichkeit, unsere Werkzeuge selbst zu testen“, sagt er.

Hinzu kommt, dass ein Teil der vorhandenen Maschinen für die Keramik- und Porzellanherstellung gleichermaßen genutzt werden kann. Die Maschinen können dadurch effektiver ausgelastet werden. Der Hauptunterschied: Während Töpfereien mit Ton arbeiten, sind Kaolin, Quarz und Feldspat die Ausgangsstoffe für Porzellan. Die neue Fertigungsstrecke soll im Produktionsgebäude der Firma Kannegießer untergebracht werden.

Die Saxonia Feinsteinzeug Manufaktur hat Kunden weltweit. „Unser nächster Kunde sitzt in Bautzen, unser weitester in Tokio“, sagt Geschäftsführer Andreas Kannegießer. Auch die Porzellanmarke, die bisher europaweit vertrieben wird, werde man künftig außerhalb unseres Kontinentes anbieten.

Als vermutlich einzige Töpferei Deutschlands setzt das Neukircher Unternehmen bereits jetzt auf 3D-Scanner und Roboter in der Rohlingsfertigung. So ist es möglich, Großserien zu produzieren. Im Jahr 2015 lieferte der Neukircher Betrieb erstmals 100 000 Glühweintassen für den Dresdner Striezelmarkt. Seitdem werden jedes Jahr weitere 50 000 Tassen für diesen Weihnachtsmarkt hergestellt. Kannegießer-Keramik produziert in Neukirch aktuell mit 26 Mitarbeitern. Vier neue Arbeitsplätze sollen durch die Porzellanfertigung entstehen. Andreas Kannegießer sucht dafür Mitarbeiter, bevorzugt mit Erfahrungen in der Branche. Er hätte gern auch Beschäftigte des Meißener Betriebes übernommen, sagt er. Allerdings wolle ihnen auch der Nachfolger des Betriebes ein Angebot machen. Die Werkshalle im Meißner Gewerbegebiet Zaschendorf soll künftig nicht leer stehen. NPM-Chef Weber kündigt an, dort sollten „ertragreiche und zukunftsorientierte technische Keramik-Erzeugnisse“ entstehen.

Künstlern könnten Öfen fehlen

Dieser Wechsel im Sortiment bedeutet das Ende für die traditionsreiche private Geschirr-Produktion in Meißen. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts existierte in der Stadt neben der Manufaktur eine breit entwickelte Porzellan- und Keramikbranche. So umfasste etwa der Porzellan-Bereich der Teichert-Werke rund 150 Mitarbeiter. Diese stellten Teller, Tassen und vieles mehr zu erschwinglichen Preisen in Meißner Form und Dekor her, hauptsächlich mit Zwiebelmuster, aber auch mit Meißner Blumen- und Streublumen-Dekoren. Später kamen Vasen, Figuren, Tierplastiken, Schreibtischgarnituren und dergleichen hinzu.

Problematisch könnte der Umzug der NPM-Produktion für einige Meißner Künstler sein. Nachdem die Bedingungen in der Manufaktur immer schwieriger wurden, waren sie teilweise auf die NPM ausgewichen, um dort ihre Arbeiten in den großen Öfen brennen zu lassen.