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NPD-Strafgeld landet bei Willkommensbündnis

Für ein geklautes Foto müssen die Rechtsextremen Strafe zahlen – und werden so indirekt zu Flüchtlingshelfern.

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© Screenshot: Leander Wattig

Von Tobias Hoeflich

Meißen. Dass sein Foto mal ein Fall für die Anwaltskanzlei werden würde, hat Leander Wattig damals wohl nicht geahnt. Es ist fast acht Jahre her, als der heute 34-Jährige eine Aufnahme der Meißner Albrechtsburg im Internet hochlädt. Inzwischen findet die sich auf etlichen anderen Webseiten wieder, etwa beim Meißen-Eintrag von Wikipedia. Was auch rechtlich in Ordnung ist, betont Wattig: „Solange mein Name als Urheber genannt wird, darf das Bild verwendet werden.“

Leander Wattig, Internetblogger aus Berlin.
Leander Wattig, Internetblogger aus Berlin.

Im Zuge der steigenden Flüchtlingszahlen nutzen auch lokale asylfeindliche Bündnisse die Aufnahme. Schon im November 2013 veröffentlicht etwa die Facebookseite „Bürger sagen Nein“ einen Eintrag in dem sozialen Netzwerk: „Keine weiteren Asylanten-Heime im Landkreis Meißen!“, ist dort mit fettgedruckter, roter Schrift zu lesen – untersetzt mit Wattigs Foto der Albrechtsburg. Der Eintrag wird mehrfach geteilt und auch von anderen Asylkritikern genutzt: So veröffentlicht zum Beispiel die NPD Sachsen reichlich ein Jahr später dasselbe Bild samt eingefügtem Schriftzug.

Von all dem bekommt der Berliner Urheber zunächst nichts mit – bis ihn ein Bekannter im Sommer 2015 auf die Umtriebe hinweist, die mit seinem Foto durchs Netz wabern. Wattig ist wenig begeistert, merkt aber sofort, dass er nirgends als Urheber genannt wird. „Ich bin echt überhaupt kein Freund von Abmahnungen. Aber sollte man in dem Fall was unternehmen?“, fragt er via Facebook seine Freunde und Bekannten. Dass Ausländerfeinde unerlaubt mit seinem Foto für ihre Zwecke werben, wollte er ihnen nicht einfach durchgelesen lassen. „Für mich war klar, dass mein Foto nicht widerrechtlich für Hetze genutzt werden soll.“

Süffisanter Kommentar

Die Hamburger Kanzlei Fechner Rechtsanwälte unterstützt Wattig bei dem Kampf gegen die unerlaubte Fotonutzung. Während die Betreiber vieler Facebookseiten wie „Bürger sagen Nein“ nicht einfach zu ermitteln sind, war das bei der NPD Sachsen freilich kein Problem. Schnell ist ein Schreiben aufgesetzt, das den Landesverband über die unerlaubte Fotonutzung informiert. Die Partei signiert die Unterlassungserklärung und zahlt zusätzlich eine Strafe.

Für Wattig ist von Beginn an klar, dass die Aktion nicht seinem privaten Vorteil gelten soll. „Es stand außer Frage: Wenn ich etwas durch die Sache bekomme, dann spende ich es.“ Dass seine Wahl später auf das Bündnis Buntes Meißen fällt, liegt freilich nicht nur an dem Fotomotiv Albrechtsburg, sondern an der Beziehung zum Freistaat und zur Stadt: Ein Großteil seiner Vorfahren stammt aus Sachsen. Einer, erzählt Wattig, war sogar Porzellanmaler in Meißen. Vor seinem Umzug nach Berlin wohnte der freiberufliche Blogger und Internetberater mehrere Jahre in Leipzig, wo er auch studiert hat. Die 1 000-Euro-Spende an Buntes Meißen kommentiert er später süffisant auf seiner Facebookseite: „Das ist ja wie Weihnachten. Die NPD Sachsen fördert die Integration von Flüchtlingen vor Ort in Meißen. Nicht ganz freiwillig zwar, aber immerhin. Selten erschien mir die Verfolgung einer unberechtigten Bildnutzung so sinnvoll wie hier.“

Verwendungszweck: offen

Und die Beschenkten? Sind vor allem dankbar für den unverhofften Geldsegen. „So ein Tausender ist für uns kleinen Verein natürlich ein großer Batzen, mit dem wir viel anfangen können“, freut sich Tilo Hellmann vom Vorstand des Bündnisses Buntes Meißen. Dieses setzt sich seit 2013 für Vielfalt, Toleranz und ein respektvolles Miteinander in der Stadt ein. Der Schatzmeister bestätigt, dass das Geld kürzlich auf dem Vereinskonto eingetroffen ist. Ob es in die tägliche Vereinsarbeit einfließt oder damit ein komplett neues Projekt finanziert wird, sei laut Hellmann noch unklar.

Allzu oft können die ehrenamtlich Aktiven eine Spende von solchem Ausmaß nicht verbuchen. „Es kommen zwar kontinuierlich kleinere Beträge zusammen, von denen wir unsere Arbeit finanzieren können. Aber in der Höhe ist es sehr selten“, sagt Hellmann. Dass das Geld ausgerechnet von der NPD stammt, ist quasi das i-Tüpfelchen der Geschichte. „Es gibt wohl wenige Initiativen in unserem Bereich, die sich über eine Großspende der NPD freuen können“, sagt Hellmann und lächelt.

Auch die Pegida-Bewegung leistete erst kürzlich unverhofft Flüchtlingshilfe. Nachdem deren eigene Hymne vergangenen Dezember beim Online-Versandhändler Amazon eingestellt wurde, kündigte das Unternehmen kurz darauf an, die Einnahmen daraus an eine gemeinnützige Organisation zur Unterstützung von Flüchtlingen zu spenden. Zuvor hatten etliche Kunden unter den Rezensionen der Hymne Amazon dafür kritisiert, Pegida eine Plattform zu bieten.