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NPD-Politiker soll seine Waffen abgeben

Weil die Partei von Kreisrat Michael Jacobi verfassungsfeindlich ist, entzieht ihm der Landkreis seine Waffen. Künftig darf er weder welche kaufen noch besitzen. Dagegen wehrt sich Jacobi vor Gericht.

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© Hersteller

Von Franz Werfel

Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge. Das sächsische Oberverwaltungsgericht hat eine klare Entscheidung getroffen: In zweiter Instanz entschieden die Bautzener Richter, dass Michael Jacobi, selbstständiger Klempnermeister aus Reinhardtsdorf, zwei Sportwaffen zurückgeben muss. Der Grund: Er ist Politiker der NPD. Also einer Partei, die seit einem Jahr als verfassungsfeindlich eingestuft ist. Aber reicht das allein aus, um einem unbescholtenen Bürger seine Waffen wegzunehmen?

Michael Jacobi, 64, ist seit den 90er-Jahren Gemeinderat in Reinhardtsdorf-Schöna. Erst für die Freien Wähler und seit 2004 für die NPD. Im selben Jahr wurde der selbstständige Klempnermeister auch in den Kreistag gewählt.
Michael Jacobi, 64, ist seit den 90er-Jahren Gemeinderat in Reinhardtsdorf-Schöna. Erst für die Freien Wähler und seit 2004 für die NPD. Im selben Jahr wurde der selbstständige Klempnermeister auch in den Kreistag gewählt. © Daniel Förster

Michael Jacobi, 64, ist Sportschütze. Er besitzt eine Neun-Millimeter-Sportpistole der Firma Sig Sauer sowie eine Jagdbüchse von Anschütz. Diese Waffen hat er in den 1990er-Jahren bei der Waffenbehörde im Landratsamt des Kreises Sächsische Schweiz ordentlich angemeldet. Er bekam eine Waffenbesitzkarte und hat seine Waffen darin eintragen lassen. Die Karte erlaubt ihm, eigene Waffen zu besitzen.

Wie gefährlich sind NPD-Politiker?

Im Oktober 2010 und November 2014 meldete sich der sächsische Verfassungsschutz bei der Pirnaer Waffenbehörde. Es wurde empfohlen, Michael Jacobi, der seit 2000 Mitglied der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) ist, seine Waffenbesitzkarte wieder wegzunehmen – wegen Unzuverlässigkeit. Zuverlässig zu sein ist laut Waffengesetz eine zentrale Bedingung, wenn man Schusswaffen und Munition besitzen will. Der Inlandsgeheimdienst begründete seinen Tipp damit, dass Jacobi NPD-Mitglied und stellvertretender Vorsitzender der Kreis-NPD sowie langjähriges Kreistagsmitglied ist und Kandidat seiner Partei bei der Landtagswahl 2009 war. Außerdem, diese Info reichten die Verfassungsschützer im Mai 2016 nach, war Jacobi dabei, als im Oktober 2013 das Haus Montag als Sitz des NPD-Kreisverbandes und Bürgerbüro in Pirna-Copitz eingeweiht wurde.

Als diese jüngste Information im Landratsamt ankam, hatte die Waffenbehörde schon entschieden. Im März 2015 widerrief sie die Waffenbesitzkarte von Michael Jacobi und forderte ihn auf, seine beiden Schusswaffen unbrauchbar zu machen oder sie an eine andere Person abzugeben, die diese aufbewahren darf. Außerdem wurde ihm verboten, künftig Waffen aller Art zu kaufen und zu besitzen.

Gegen diese Entscheidung legte Michael Jacobi Widerspruch ein. Das Dresdner Verwaltungsgericht gab dem nach, weil der Bescheid der Behörde fehlerhaft sei. Unter anderem deshalb, weil Jacobi zu dem Fall gar nicht angehört wurde. Jacobis Klage gegen den Bescheid ließ das Verwaltungsgericht im Sommer 2016 zu. Nach Meinung der Dresdner Richter ist eine Unzuverlässigkeit allein wegen einer Parteimitgliedschaft nur anzunehmen, wenn die Verfassungswidrigkeit der Partei vom Bundesverfassungsgericht festgestellt wird.

Dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, hatten die Karlsruher Verfassungsrichter aber erst im Januar 2017 entschieden. Die NPD als Partei verboten sie jedoch nicht. Mit dieser juristischen Steilvorlage im Rücken ging das Landratsamt ab Sommer 2017 gegen das Dresdner Urteil in Berufung. Die NPD wolle, argumentierte die Pirnaer Waffenbehörde, mit Einschüchterung, Bedrohung und organisierter Gewalt die Ordnung im Rechtsstaat angreifen. Als Behörde müsse man darauf präventiv reagieren. Allein die Tatsache dass Michael Jacobi Mandate für die NPD ausübe, zeige, dass er die verfassungsfeindlichen Ziele seiner Partei unterstütze.

Erfahrungen mit gewaltbereiten Neonazis hat man in der Region zur Genüge. Vielen in Erinnerung ist noch die – im Jahr 2001 verbotene – rechtsextreme Kameradschaft Skinheads Sächsische Schweiz (SSS). Vor 20 Jahren griffen Rechtsradikale Ausländer und Linke an, brachen in Wohnungen ein, wollten eine Wehrsportgruppe aufbauen. Indirekt führte die Spur damals auch zum Schuppen von Michael Jacobi. 2000 fand das Landeskriminalamt bei einer Razzia gegen die SSS bei Jacobi Sprengstoff und Waffen. Gemutmaßt wurde, dass diese zumindest nicht vollständig ihm selbst, sondern seinem Sohn gehören könnten. Matthias Jacobi ist ebenfalls NPD-Mitglied und seit 2009 Gemeinderat in Reinhardtsdorf-Schöna. Vater Michael trat 2000 als Gemeinderat zurück, bevor er 2004 wiedergewählt wurde. Bei weiteren Ermittlungen schrumpfte die Sprengstoffmenge zusammen, die Waffen waren plötzlich nur noch rostiger Schrott. Damals hat sich Michael Jacobi zu der Razzia nicht geäußert, somit die Mutmaßungen weder bestätigt noch ausgeräumt.

Vor dem Bautzener Oberverwaltungsgericht argumentiert Jacobi nun mit dem Grundgesetz. In Artikel 21 geht es um das Parteienprivileg. Darin wird politischen Parteien wegen ihrer hohen Bedeutung in der Demokratie besonderer Schutz zugesprochen. Potenzielle NPD-Mitglieder, so Jacobi, könnten sich aus Furcht vor möglichen Nachteilen gegen einen Eintritt in die Partei entscheiden, wenn sie mit Repressalien rechnen müssen. Da die politische Willensbildung in Deutschland frei sei, dürfe man ihm die Waffenbesitzkarte nicht aus Gründen seiner Gesinnung entziehen. Er sei kein Parteistratege und fühle sich als einfacher Handwerker nicht berufen, Reden zu halten oder Programme zu entwerfen. Gleich, nachdem er den ersten Bescheid des Landratsamtes bekam, habe er seine Waffenbesitzkarte abgegeben und seine Waffen einem anderen überlassen.

Sind weitere Politiker betroffen?

Über all das hätte die Sächsische Zeitung gern mit Michael Jacobi gesprochen. Auch über das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes. In diesem stimmt das Gericht nämlich der Argumentation des Landkreises vollständig zu. Demnach sei die Unzuverlässigkeit für den Waffenbesitz auch dann anzunehmen, „wenn der Kläger Mandatsträger einer verfassungsfeindlichen Partei ist und verfassungsfeindliche Bestrebungen dieser Partei aktiv unterstützt, selbst wenn diese Partei vom Bundesverfassungsgericht nicht verboten ist.“ Bei einem Telefonat wollte sich Jacobi zu dem Verfahren aber nicht äußern.

Trotz des hohen öffentlichen Interesses möchte auch das Landratsamt mit Verweis auf den Datenschutz nichts dazu sagen, ob von dem wegweisenden Urteil möglicherweise weitere Politiker in der Region betroffen sein könnten. Steffen Klemt, Amtsleiter für Sicherheit und Ordnung, gibt den Hinweis: „Der Landkreis als Waffenbehörde wird immer dann tätig, wenn konkrete Anhaltspunkte einer vermuteten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit vorliegen.“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Michael Jacobi hat angezeigt, vor das Bundesverwaltungsgericht Leipzig ziehen zu wollen. Bei der Revision, die mit Spannung erwartet wird, geht es darum, ob die Bautzener Richter ihr Urteil ohne Verfahrensfehler vernünftig begründet haben. Ihre Entscheidung hat Grundsatzcharakter.

Das Urteil ist einsehbar auf der Webseite des Oberverwaltungsgerichts Bautzen. Aktenzeichen: 3 A 556/17