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Notarztrucksack gestohlen

Während die Sanitäter einen Patienten in die Notaufnahme schaffen, lässt jemand ihre Ausrüstung mitgehen.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Knapp acht Stunden nach der Tat klingt Falk Glombik immer noch fassungslos. Es zeuge von einer unheimlichen Dreistigkeit, was da am Donnerstagmorgen passiert sei, sagt der Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes ohne Umschweife. Mit seiner Aufregung ist Glombik nicht allein, auch im Netz überschlagen sich die Reaktionen über einen Diebstahl, den es so in Riesa wohl noch nicht gegeben hat. Sie schwanken von „Unglaublich!“ bis hin zu „Nur Bekloppte hier“.

Es ist etwa 6 Uhr morgens, als die Sanitäter aus der Notaufnahme zu ihrem Rettungswagen zurückkehren. Dort stellen sie schnell fest, dass einer der wichtigsten Ausrüstungsgegenstände fehlt: der rote Notarztrucksack. In einem solchen Rucksack befindet sich im Grunde alles, was der Notarzt im Einsatz benötigen könnte: Verschiedenste Medikamente, Infusionsbesteck, Blutdruckmesser, Verbandsmaterial, Nadeln und Intubationsbesteck – um nur einige Bestandteile zu nennen. „Es ist sozusagen das Equipment des Krankenwagens im Kleinen“, sagt Falk Glombik. Doch nun ist er weg. Unbekannte müssen den Rucksack aus dem Rettungswagen entwendet haben. „Diese Fahrzeuge werden in der Regel verschlossen abgestellt, aber es kommt auf den Zustand des Notfallpatienten an“, erklärt der DRK-Chef. „Manchmal ist einfach keine Zeit dazu.“

1 000 Euro Einkaufspreis

Auch über das Motiv könne er im Grunde nur spekulieren. „Ich weiß nicht, ob uns da jemand schaden will, sich einfach nur einen üblen Scherz erlaubt hat oder jemand psychisch Krankes ihn mitgenommen hat.“ Fest steht nur: Der Rucksack ist weg, auch die Suche im Krankenhaus blieb ohne Erfolg. Möglich wäre durchaus, dass jemand versucht, die medizinische Ausrüstung zu Geld zu machen. So ein Rucksack ist durchaus einiges wert, erklärt Glombik. Das Rote Kreuz habe rund 1 000 Euro im Einkauf bezahlt – allerdings komme die Organisation günstiger an die Ausrüstung. Dass sich diese Art der Hehlerware vermutlich nicht einfach bei Ebay verkaufen lässt, dürfte die Täter auch nicht abschrecken, glaubt Falk Glombik. „Heutzutage findet man für alles einen Abnehmer. Dafür gibt es genügend Verkaufsportale.“

Völlig beispiellos ist der Fall aus Riesa übrigens nicht, eher im Gegenteil: Wie die Kieler Nachrichten berichten, wurde erst am Sonntag in Neumünster ein Notarztkoffer aus einem Rettungswagen der Feuerwehr gestohlen. Ähnliche Fälle hatte es in den vergangenen Jahren auch schon in Baden-Württemberg und Bremen gegeben.

Grundsätzlich komme das Problem vor allem in Großstädten vor, sagt der Vorsitzende des Berufsverbandes Rettungsdienst, Marco König. Im Grunde helfe da nur, den Rettungswagen immer abzuschließen. Genaue Zahlen liegen seinem Verband aber nicht vor. König bringt noch ein weiteres mögliches Tatmotiv ins Spiel: „Neben dem schnellen Geld sind die Täter häufiger auch Drogenkonsumenten, die sich erhoffen, etwas Brauchbares zu finden.“

Gerade aus diesem Grund hat die Polizei in ähnlichen Fällen öfter vor der Einnahme von Medikamenten aus gestohlenen Notfallkoffern und -rucksäcken gewarnt. „Je nach Koffer können darin auch Medikamente sein, die eine betäubende Wirkung haben.“ Wer sich nun so etwas intravenös spritze, der riskiere beispielsweise, dass seine Atmung aussetzt.

Das DRK in Riesa hat mittlerweile Anzeige erstattet, außerdem haben DRK-Mitarbeiter bereits einen „Fahndungsaufruf“ auf Facebook veröffentlicht und hoffen auf Hinweise aus der Bevölkerung – schließlich ist so ein Rucksack doch relativ auffällig. Parallel wird das DRK wohl schon Ersatz organisieren. Drei bis vier Wochen kann das dauern. Die Patienten müssen sich derweil keine Sorgen machen, beruhigt Falk Glombik. „Für sie hat der Diebstahl keine Konsequenzen, da wir einen Reserve-Notfallrucksack vorhalten.“ Für seinen Kreisverband hingegen sei der Diebstahl ein „teures und moralisches Ärgernis“.