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Nostalgische Gefühle im Schuhladen

Isolde Winkelmann führt ihr Geschäft in dritter Generation in Kamenz. Die Grundsanierung an der Wallstraße macht es aktuell nicht unbedingt leichter.

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© Matthias Schumann

Von Ina Förster

Kamenz. Es ist Montagvormittag. An der Wallstraße ruht gerade die Arbeit. Doch die Bauarbeiter wurden heute schon gesichtet. Auch von Isolde Winkelmann und ihrer Mutter Christa Hentsch. Die beiden Frauen stehen derzeit etwas verloren in ihrem Schuhladen. „Wir sind sowieso etwas abseits vom Geschehen hier, aber die kommenden Wochen werden richtig hart für uns“, so die Ladenchefin. Ein großes Schild am Bauzaun 50 Meter weiter kündet davon, dass das Schuhgeschäft geöffnet ist. Doch die zum großen Teil ältere Kundschaft wird sicher durch die aufgerissene Straße abgeschreckt. Überall Sand, Rohre und Zuleitungen. Die ersten Hausanschlüsse sind bereits fertiggestellt. Es geht gut voran. Natürlich ist die Sanierung wichtig. Isolde Winkelmann weiß das. Auch, dass die parallele Grüne Straße gleichzeitig fertig werden muss, fällt nicht maßgeblich ins Gewicht. Doch es wird ein Kampf für das kleine Traditionshaus. Es gibt in dieser Ecke der Altstadt sowieso nur wenige Geschäfte. Einen Orthopäden, eine Bettfedernreinigung, ein Bestattungsinstitut. Früher war das etwas anders. Kurz nach der Wende florierte es etwas mehr vor Ort. Lange ist das her.

Mit ihrer Mutter Christa Hentsch (l.) wird die Zeit nicht ganz so lang. Nur wenige Kunden finden aktuell in den Laden von Isolde Winkelmann.
Mit ihrer Mutter Christa Hentsch (l.) wird die Zeit nicht ganz so lang. Nur wenige Kunden finden aktuell in den Laden von Isolde Winkelmann. © Matthias Schumann

Das Schuhgeschäft befindet sich seit 1940 hier am Standort. „Adolph Micklich Schuhmachermeister“ prangt immer noch in alten großen Lettern an der Fassade. „Und davor befand der Laden ein paar Häuser weiter oben. So seit Mitte der dreißiger Jahre“, weiß Christa Hentsch. Ihr Vater, Adolph Micklich, gründete das Unternehmen. Die heute 81-Jährige erinnert sich noch an ihre Kindheit und Jugend daheim. Dass sie später einmal die Geschäfte übernehmen würde, war zuerst nicht klar. Schwester Helene war ursprünglich die Auserkorene. Erst kurz vor der politischen Wende im Land wurde sie hier Chefin. Das war 1989. „Unser Laden war schon alles: Privat, HO-Konzessionshändler. Wir haben die Zeiten überdauert“, sagt Christa Hentsch. Etwas Nostalgie schwingt durchaus mit, wenn man das Geschäft betritt. Eine uralte Kasse, dunkle Holztäfelung, ein schwerer Ladentisch. An der Wand hängt der Meisterbrief des Vaters und Großvaters vom 1. Juli 1929.

Heute schaut sie immer mal wieder vorbei bei der Tochter. „Sie greift mir ab und zu unter die Arme“, sagt Isolde Winkemann. Die fitte Seniorin gehört ohnehin irgendwie zum Inventar. Hat noch genügend Tipps für die 59-Jährige übrig. Diese war früher eigentlich Krippenerzieherin. Als die Einrichtungen Anfang der Neunziger reihenweise geschlossen wurden, disponierte sie noch einmal um. Und ließ sich 1999 auf den Laden ein. Trotz dreier Mitkonkurrenten in unmittelbarer Nähe, konnte man gut vom Schuhverkauf leben. Heute ist das schon schwerer.

Keine Nachfolge in Sicht
Zwischen hohen Regalen, in denen sich die Schuhkartons bis an die Decke stapeln, wird die Kundschaft trotzdem noch gut beraten. Man hat viel Zeit, kann sich ausgiebig mit den Wünschen befassen. Kinderschuhe hat man mittlerweile aus dem Sortiment genommen. Viele Markenfirmen werden aber noch geführt. Man fährt auf Messen, kauft regelmäßig neue Ware ein. Bequeme Modelle gehen allerdings am besten. Die Stammkundschaft kommt meistens vom Dorf. Die guten Donnerstage, an denen man früher kaum aufblicken konnte von der Arbeit, sind aber Geschichte. „Das Wochenmarktpublikum kommt nicht mehr in geballter Ladung bis zu uns hier herunter“, sagt Isolde Winkelmann. Aufgegeben wird trotzdem nicht. „Ich werde bis zur Rente weitermachen. Einen Nachfolger gibt es allerdings nicht.“

So viel steht heute schon fest. Die Frauen der Familie haben den kleinen Laden über die Jahrzehnte hinweg gelenkt und über Hoch und Tiefs geführt. In ein paar Jahren geht dennoch eine Ära zu Ende. Doch bis dahin sollen noch möglichst viele Schuhe über den Tresen gehen. „Wir freuen uns vor allem aktuell über jeden, der den Weg zu uns findet. Nicht abschrecken lassen. Wir haben geöffnet!“