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Noch längst nicht altersmüde

Das Schreibwarengeschäft Emil Ramm besteht 145 Jahre. Es überstand Kriege und Hochwasser. Und blieb in der Familie.

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Von Marcus Herrmann

Auf diesen etwa 100 Quadratmetern findet jeder, was er an Bürobedarf begehrt. Im Schreibwarengeschäft Emil Ramm am Markt 15 in Pirna gibt es alles, von Füllfederhaltern und Geschenkkarten bis hin zu Ratgeberbüchern und Zuckertüten.

Die beliebte Einkaufsadresse im Zentrum der Altstadt hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Seit 2002 befindet sich das Geschäft im Besitz der jetzigen Betreiber, dem Ehepaar Ralf und Gabi Richter. Es überstand Kriege und mehrere Hochwasser. Dieser Tage feiern Richters das 145-jährige Bestehen des traditionsreichen Ladens.

Am 9. Juli 1869 gründete der Buchbinder und Namensgeber Emil Ramm das Geschäft in Pirnas Altstadt – zunächst als Buchbinderei. Anfang des 20. Jahrhunderts übergab er die Verantwortung an seinen Sohn Walter, der nun auch mit Schreib- und Papierwaren handelte. Nach dem Krieg begann Walter Ramm mit dem Ausbau des Geschäfts und der Zusammenarbeit mit Rhein, Main, Pfalz (RMP), einem Vorgänger von Büro Actuell, des heute noch aktuellen Lieferanten für eine Vielzahl von Büroartikeln.

Gemeinsam mit Ehefrau Else und deren Schwester machte Walter Ramm das Geschäft in den Dreißigerjahren zu einer angesehenen Adresse. Nach seinem Tod übernahm 1942 zunächst Ehefrau Else den Laden, später ihr Bruder Hermann Richter und der Neffe, Berthold Richter. Unter den beiden wurde das Sortiment in den Fünfzigerjahren erweitert. Gemeinsam mit Ehefrau Gudrun investierte Berthold Richter viel Herzblut in das Geschäft und manövrierte es auch durch schwierige Zeiten. 2002 gingen beide in den Ruhestand und Sohn Ralf übernahm das Geschäft, welches er heute mit seiner Frau Gabi betreibt.

„Die schwierigsten Zeiten für uns beide waren natürlich die Hochwasser 2002 und 2013“, sagt Ralf Richter. Zweimal stand der Laden unter Wasser, beim ersten Mal fast zwei Meter hoch. Doch auch wenn die Nerven damals blanklagen und der Schaden über 100 000 Euro betrug, packte die ganze Familie mit an, und schon Anfang September wurde wieder eröffnet. „Aus der Flut 2002 haben wir gelernt und uns danach voll versichert. Darum haben wir auch keine Angst vor der Zukunft“, sagt der Inhaber, der mit seiner Frau in der zweiten Etage gleich über dem Schreibwarengeschäft wohnt. Das lebt nicht zuletzt von Stammkunden wie Anita Böhme. Die 72-Jährige aus Lohmen kommt seit fast 30 Jahren regelmäßig ins Schreibwarengeschäft. „Ich gehe immer in Pirna zum Friseur und besuche dann gleich den Laden der Richters. Manchmal hole ich mir eine Geburtstagskarte oder auch mal einen Kalender“, sagt die Kundin.

Das Angebot haben Gabi und Ralf Richter in den letzten Jahren stets den wechselnden Bedürfnissen der Kunden angepasst. Die größte Nachfrage liege momentan noch im Bereich Büromaterial. „Aber die geht stetig zurück, weil fast alles die Computer übernehmen“, sagt der 49-jährige Ralf Richter. „Deshalb muss ich immer wieder Nischen finden, die bei den Leuten nachgefragt sind.“ Momentan seien das etwa Stiftgravuren, die der Chef selbst übernimmt, oder auch Sach- und Kochbücher.

Der gelernte Maschinenbauer, der seit 25 Jahren mit seiner Frau verheiratet ist, braucht immer das besondere Gespür für die Bedürfnisse der Kunden. „Wichtig ist, dass junge Leute im Laden sind. Dann ist er aus meiner Sicht auch lebendig“, erklärt Richter. Mit Gabi arbeitet er nun schon seit 17 Jahren im Laden. Schon unter Vorbesitzer Berthold Richter hatten sie mit der gemeinsamen Arbeit begonnen.

Eigentlich ist Gabi Richter Kindergärtnerin, musste den Beruf aber 1995 aufgeben. Außerdem wacht seit zwölf Jahren Labrador Kevin im Laden. „Seit er da ist, trauen sich Langfinger tatsächlich viel weniger, hier etwas zu klauen“, verrät die 47-jährige Gabi Richter. Mit ihrem Mann will sie noch lange im Geschäft tätig sein. Denn mit der Nachfolge aus der eigenen Familie sieht es nicht so gut aus. „Unser Sohn hat sich für Heizung, Lüftung und Sanitär entschieden. Darüber bin ich auch froh, denn als Lehrling hier im Laden hätten wir ihn sicher viel zu nachsichtig behandelt“, erzählt Ralf Richter. „Und so alt sind Gabi und ich ja noch nicht. Deswegen wollen wir die Tradition noch lange aufrecht erhalten.“ Auch wenn es mit noch einmal 145 Jahren sicher eng werden könnte.

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr, Sonnabend von 9 bis 12 Uhr.