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„Noch haben wir niemanden entlassen müssen“

Die Sparkasse Meißen hat gerade ein Plus von 3,5 Millionen Euro erwirtschaftet – und prüft trotzdem einen Stellenabbau.

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© Lutz Weidler

Herr Schlagloth, Herr Schikatzki: Der Jahresüberschuss der Sparkasse Meißen hat sich auf 3,3 Millionen Euro erhöht – aufgrund eines „einmaligen Sondereffekts“. Was verbirgt sich dahinter?

Rolf Schlagloth ist Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Meißen, die ihren Hauptsitz an der Riesaer Hauptstraße hat.
Rolf Schlagloth ist Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Meißen, die ihren Hauptsitz an der Riesaer Hauptstraße hat. © Archiv/Norbert Millauer
Rainer Schikatzki ist Vorstandsmitglied der Sparkasse Meißen. Zum Geldinstitut gehören aktuell 18Geschäftsstellen.
Rainer Schikatzki ist Vorstandsmitglied der Sparkasse Meißen. Zum Geldinstitut gehören aktuell 18Geschäftsstellen. © Archiv/Claudia Hübschmann

Schikatzki:Dies resultiert aus dem Bilanzrechts- modernisierungsgesetz. Die Niedrigzinsphase führt dazu, dass für die Aufzinsung der Pensionsansprüche oder Betriebsrenten immer höhere Beträge aufgewendet werden müssen. Der Gesetzgeber wollte diesen Effekt mildern und schreibt nun einen höheren Zinssatz für die Aufzinsung vor, mit einer einmalig positiven Auswirkung auf den Gewinn. Dieser Betrag wird separat ausgewiesen und ist für eine Ausschüttung gesperrt.

Wie viel macht der Einmal-Effekt aus?

Schlagloth: Etwa anderthalb Millionen Euro.

Die Sparkasse Meißen erzielt also nach wie vor einen deutlichen Gewinn. Wie verträgt sich das mit der Schließung von Geschäftsstellen, die im vergangenen Jahr für reichlich Ärger sorgte?

Schlagloth: Ich verstehe, dass sich die Bürger deshalb wundern. Wir müssen unsere Sparkasse aber nach kaufmännischen Grundsätzen führen und können nicht einfach Verluste ausweisen. Und auf uns kommen weitere Herausforderungen zu: Jedes Jahr müssen wir etwa 200 Millionen Euro neu anlegen, weil die Verträge regulär auslaufen. Dabei geht es beispielsweise um vor vielen Jahren mit Kunden abgeschlossene Kreditverträge oder von der Sparkasse selbst getätigte Geldanlagen. Nun gibt es bei sicheren Anlagen – wie zehnjährigen Bundesanleihen – aber nur einen Zinssatz von 0,34 Prozent. Der alte Zinssatz aber lag bei über drei, teils gar über vier Prozent. Diese Differenz sorgt dafür, dass unsere Einnahmen zurückgehen. Darauf müssen wir reagieren – wie jeder Kaufmann.

Ist denn keine Besserung in Sicht?

Schlagloth: Wir müssen uns darauf einstellen, dass das Niedrigzinsniveau oder gar ein Negativzinsniveau noch einige Jahre anhält. Deshalb brauchen wir eine kluge Mischung aus Einnahmesteigerungen und Kostensenkungen, um darauf zu reagieren.

Wie reagieren die Kunden in den betroffenen Dörfern darauf?

Schlagloth: Aus Stauchitz oder Schönfeld hat sich bei uns niemand über die fehlende Beratung vor Ort beschwert – immer nur über das Problem der Bargeldversorgung. Dabei haben wir in Schönfeld eine Bargeldagentur im Getränkemarkt geschaffen, in Ebersbach eine Bargeldagentur in der Fleischerei. Und der Automat in Thiendorf ist ja auch nicht weit weg. In Stauchitz kann man ab einem bestimmten Mindesteinkauf im Edeka Geld abheben.

Wie wird der kostenpflichtige Bargeldversand per Post angenommen?

Schikatzki: Nur im Einzelfall. Es gibt offensichtlich eine Hemmung davor, sich das Geld per versichertem Paket zuschicken zu lassen. Dabei kostet das – bis zu einem Betrag von 200 Euro – mit 3,95 Euro kaum mehr als eine Busfahrkarte. Allerdings bieten doch ohnehin fast alle Händler heutzutage Kartenzahlung an: Ich frage mich deshalb, warum die Leute unbedingt Bargeld brauchen, was sie erst holen müssen – und die Händler anschließend wieder zu uns zurück bringen. Die Versorgung mit Bargeld macht einen erheblichen Ausgabeposten für uns aus.

Was kostet es denn, einen Geldautomaten zu unterhalten?

Schlagloth: Jedes Jahr werden pro Automat rund 15 000 Euro fällig: für Abschreibung, Datenleitung, Strom, Versicherung, Wartung, Befüllung. Aktuell betreiben wir fast 60 Automaten. Das macht insgesamt fast eine Million Euro jährlich aus.

In Stauchitz wundert man sich, warum im Dorf der Automat wegfällt – und die Riesaer Elbgalerie in Sichtweite der Sparkassenzentrale nicht nur einen Automaten erhält, sondern auch einen Kontoauszugdrucker ...

Schlagloth: Das war vorhandene Technik, die nur umgesetzt wurde. In der Elbgalerie wird sie stärker frequentiert als in unserer Geschäftsstelle. Außerdem sorgt der neue Standort dafür, dass sich der Kundenstrom entzerrt – und sich zum Termin der Rentenzahlung keine Schlangen mehr bei uns an den Automaten bilden. Außerdem sind die Automaten in der Elbgalerie auch für Gehbehinderte ohne Stufen zu erreichen.

Derzeit sind in der Branche überall die Kontogebühren ein Thema. Wie steht es damit bei der Sparkasse Meißen?

Schlagloth: Damit stehen wir vergleichsweise günstig da: Ein Online-Konto gibt es bei uns für 2,95 Euro im Monat, wer Belege abgeben möchte, zahlt 6,95 Euro pro Monat. Das gilt bei uns übrigens unabhängig vom Einkommen! Anderswo zahlen reiche Leute nichts, während Leute mit schmaler Rente zur Kasse gebeten werden.

Schikatzki: Gebühren für das Geldabheben am Automaten für unsere Kunden sehen unsere Kontomodelle nicht vor und planen wir auch nicht – anders als bei anderen Kreditinstituten.

Online-Angebote sind überall im Kommen. Auch bei der Sparkasse?

Schlagloth: Ja! Wer möchte, kann sich bei uns online nach seiner persönlichen Risikoneigung automatisiert Anlagen heraussuchen lassen und dies seit einigen Tagen auch gleich direkt abschließen. Auch Privatkredite, Girokonten oder Kreditkarten kann man online erhalten. Wir haben die Video-Legitimation, also die Legitimation am PC, eingeführt. Nach wenigen Minuten ist der Kunde dabei legitimiert und kann sofort in unserem Internetauftritt Konten eröffnen. Ebenso sind seit Kurzem auch Fotoüberweisungen möglich: Man kann dabei eine Papierrechnung einfach fotografieren und muss anschließend nur noch die TAN eingeben. Das ist sehr bequem.

Über die Kunden haben wir gesprochen. Was bedeutet das aktuelle Zinsniveau für Ihre rund 400 Mitarbeiter?

Schlagloth: Bislang haben wir niemanden entlassen müssen, es gab allerdings einige Arbeitszeit-Reduzierungen.

Ist ein Arbeitsplatzabbau absehbar?

Schlagloth: Das hängt davon ab, wie lange die Niedrigzinsphase andauert. Die Mitarbeiter machen 60 Prozent unser Kosten aus. Auf Dauer werden wir also auch in diesem Bereich nicht an Kostensenkungen vorbeikommen. Wir legen dabei aber Wert auf Sozialverträglichkeit.

Das Gespräch führte Christoph Scharf.