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„Nimm dir, was dir zusteht“

Eine Altenpflegerin soll eine Rentnerin um ihr Erspartes gebracht haben.

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Von Alexander Schneider

Eine gefrustete Staatsanwältin und zwei freigesprochene Altenpflegerinnen – das ist die Bilanz eines Prozesses um den Verbleib von 58 500 Euro einer hochbetagten und kranken Dame, die in einem Pflegeheim lebt. Um die mutmaßliche Geschädigte und ihr Vermögen, dieser fahle Beigeschmack bleibt auch nach dem Freispruch, kümmern sich nun andere „Angehörige“.

Was macht man im Alter? Dann, wenn nicht nur der Körper, sondern auch der Kopf droht, einem nicht mehr recht zu gehorchen? Man sucht sich Menschen, denen man vertrauen kann. Freunde. Vielleicht war eine 55-jährige Altenpflegerin für eine Rentnerin Mitte 80 eine richtige Freundin. 2011 oder 2012 hatten sich die Frauen kennengelernt. Auch wenn sie zunächst dienstlich miteinander zu tun hatten, die 55-Jährige arbeitete für einen Pflegedienst, entstanden private Kontakte. Die 55-Jährige besuchte die alte Dame regelmäßig in ihrer Wohnung, begann auch, sie privat zu pflegen, weil eine andere Betreuerin erkrankt war. Es ging so weit, dass die Rentnerin Anfang 2013 der Altenpflegerin eine notariell beglaubigte General- und Vorsorgevollmacht ausstellte. Sie umfasste alle persönlichen und gesundheitlichen Angelegenheiten bis „über den Tod hinaus“.

Nur zwei Monate später jedoch soll die Altenpflegerin 35 000 Euro vom Ersparten der Rentnerin auf ein eigenes Konto verschoben und 5 000 Euro abgehoben haben. Ab Juni habe sie darüber hinaus achtmal 2 000 Euro in bar vom Konto der betagten Dame abgehoben und achtmal Summen zwischen 200 und 500 Euro. Daher stand die 55-Jährige gestern wegen Untreue vor dem Amtsgericht Dresden. Mitangeklagt wegen Begünstigung war auch ihre Tochter (34, ebenfalls Altenpflegerin), auf deren Konto noch im Januar vergangenen Jahres die erwähnten 30 000 Euro gelandet waren.

Die Hauptangeklagte sagte, dass die Dame die 35 000 Euro wohl vor dem Zugriff von Pflegeheimen geschützt wissen wollte und ihr daher die Summe – die Hälfte des gesamten Geldvermögens – anvertraut habe. Die Altenpflegerin habe sich jedoch jede Überweisung und Auszahlung von der Patientin quittieren lassen. Das belegte die 55-Jährige. Außerdem zeigte sie dem Richter Dutzende Quittungen ihrer Einkäufe, die sie für die Mittachtzigerin besorgt habe – Windeln, Friseurbesuche, Fußpflege, Apotheke und, und, und. Sie gab zu, auch „Schenkungen“ im nicht genannten Umfang „für ihre Leistungen“ erhalten zu haben. Der Satz „nimm dir, was dir zusteht“, den die Seniorin zur Angeklagten gesagt haben soll, fiel gestern mehrfach.

Ein Kripo-Ermittler hatte – von den verdächtigen Buchungen abgesehen – nicht feststellen können, dass sich die Angeklagte persönlich bereichert habe. Aber es gab wohl Spannungen mit Angehörigen der Seniorin, der Tochter ihres verstorbenen Partners und deren Familie, die sich nun jedoch um die Rentnerin kümmern.

Kleiner Eklat am Ende: Die Staatsanwältin verzichtete auf ihr Plädoyer, weil sie gerne die Geschädigte selbst als Zeugin gehört hätte. Das lehnte Richter Roland Wirlitsch im Hinblick auf deren Parkinson-Erkrankung ab – und sprach beide Angeklagten frei. Berufung? Vielleicht.