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Niemand wollte Shih Tzu „Rocky“

Eine überforderte Frau hat einen kleinen Hund unterschlagen. Diese Eselei hätte sie beinahe ins Gefängnis gebracht.

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Von Alexander Schneider

„Shih Tzu“ heißt aus dem Chinesischen übersetzt Löwenhund und bezeichnet eine aus Tibet stammende Hunderasse. Stark behaart wie ein Yak, aber extrem kleinwüchsig. Mönche sollen schon vor Hunderten Jahren die hellhörigen Hunde als Wächter ihrer Klöster gezüchtet haben – so wie einst Gänse im alten Rom Alarm schlugen, wenn Barbaren vor der antiken Metropole standen.

Ganz so dramatisch ist die Geschichte des Prohliser Shih Tzu-Mix-Rüden Rocky nicht. Weil seine Besitzer ein Baby bekommen hatten und verhindern wollten, dass der Wauwau ihren Stammhalter zwickt, suchten sie Anfang dieses Jahres ein neues Zuhause für das Tier. Das war der Beginn einer einwöchigen Odyssee von Rocky – und am Ende musste sich eine 20-Jährige wegen Unterschlagung vor einer Jugendrichterin am Amtsgericht Dresden verantworten. Eigentlich ist der ganze Hunde-Fall eine jugendtypische Eselei, die man längst hätte einstellen können. Doch die Angeklagte ist eine alte Bekannte, die unter offener Bewährung eine „fremde bewegliche Sache“, also Rocky, an sich gebracht habe. Ihr drohten gestern daher neben der neuen Strafe auch acht Monate Haft wegen mehrfacher Diebstähle und Schwarzfahrten.

Die 20-Jährige, ebenfalls seit einem Jahr Mutter, berichtete ganz offen von einer Kurzschlussreaktion. Sie habe den kleinen Hund ihrer Bekannten probeweise mit nach Hause genommen, aber ihn abends nicht wieder zurückgebracht. „Der Hund machte einen verwahrlosten Eindruck. Ich habe mich überfordert gefühlt, da habe ich über Ebay eine Tierarzthelferin gefunden und ihr den Hund geschenkt“, sagte die Angeklagte. „Das war Mist.“

Rockys zweite Station war eine ebenfalls 20-jährige Frau aus Gorbitz. Tierarzthelferin ist sie nicht, hat dort aber immer mal gearbeitet. Sie sagte, Rocky sei nicht verwahrlost gewesen. Die Krallen vielleicht etwas lang. Sie habe dem Hund allerdings die langen Locken gestutzt. Weil jedoch auch diese Frau sich mit dem Klosterwächter überfordert sah, wollte sie ihn wieder verkaufen – für 150 Euro. Nach etwa einer Woche fanden die Besitzer „ihren“ Rocky von selbst wieder: bei den Ebay-Kleinanzeigen. Sie bekamen ihren Löwenhund zurück und verkauften ihn dann nach einigen Wochen. Soviel zu Rocky.

Was sollte nun jedoch mit der 20-jährigen Bewährungsbrecherin geschehen? Muss die junge Mutter tatsächlich wegen der Hundesache ins Gefängnis? Nein. Jugendrichterin Susanne Burbach-Wieth verurteilte die Angeklagte zu 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit, wie sowohl von Staatsanwaltschaft und von Verteidigerin Daniela Prescher gefordert. „Man muss Ihnen zeigen, dass es so nicht geht“, sagte die Richterin. Für die Frau sprach, dass sie sich während ihrer Schwangerschaft von ihrer Drogenvergangenheit gelöst hat.