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Nichts wie weg

Die Selectrona GmbH hatte sich ursprünglich an der Müglitz angesiedelt. Warum sie heute in Reinholdshain produziert.

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© Frank Baldauf

Von Franz Herz

Glashütte/ Dippoldiswalde. Die Entwicklung der Selectrona GmbH in Reinholdshain hätte ohne die Augustflut einen anderen Weg genommen. Das Unternehmen, das 2002 noch Steffen Söhner GmbH hieß und bis heute Kunststoff-Metall-Komponenten z. B. für die Autoindustrie herstellt, hatte seinen Hauptsitz in Schlottwitz und eine Produktionsstätte in Glashütte. Beide am Ufer der Müglitz. Die stieg am 12. August 2002 unaufhörlich. Produktionsplaner Gerd Weidensdörfer half mit Heinz Dottermusch im Glashütter Werk, Werkzeuge und Maschinen ins Obergeschoss zu schaffen, bis der Strom wegblieb. Spritzgussformen und Werkzeuge sind die wichtigsten Teile für die Produktion. Darin steckt das spezielle Wissen der Mitarbeiter.

Die Müglitz hat ganze Bäume mit sich geschwemmt, teilweise haben die durch die Fenster in die Räume geragt.
Die Müglitz hat ganze Bäume mit sich geschwemmt, teilweise haben die durch die Fenster in die Räume geragt. © Foto: Selectrona
Eine Produktionshalle bei Söhner in Schlottwitz ist komplett eingestürzt, die Bodenplatte war unterspült.
Eine Produktionshalle bei Söhner in Schlottwitz ist komplett eingestürzt, die Bodenplatte war unterspült. © Foto: Selectrona
Präzisionswerkzeuge für den Spritzguss waren verschlammt und mussten erst gereinigt werden.
Präzisionswerkzeuge für den Spritzguss waren verschlammt und mussten erst gereinigt werden. © Foto: Selectrona

Dann telefonierte er mit einem Feuerwehrmann, um Sandsäcke anzufordern. „Der hat mich gefragt, wo wir sind. Als ich sagte Frühlingsweg, hörte ich nur noch: Sofort raus aus dem Gebäude! In Glashütte bricht gleich der Damm.“ Also sind sie hinten raus und den Hang hochgeklettert.

Geschäftsführer Steffen Söhner hat da in den USA gearbeitet. Als er hörte, was im Müglitztal los ist, kam der damals 32-Jährige mit dem nächsten Flugzeug zurück. Noch in derselben Woche haben er und sein Vater Walter Söhner die Weichen für das Unternehmen neu gestellt. Sie mussten die Produktion, vor allem den Werkzeugbau, schnell wieder in Gang bringen. Mitarbeiter haben Werkzeuge und Maschinen mit Traktoren über einen Feldweg nach Cunnersdorf geschafft, um die zu reinigen.

Aber sie wollten den Werkzeugbau nicht wieder am Fluss einrichten. So fiel noch in der Flutwoche die Entscheidung für Reinholdshain. Söhner kaufte im Gewerbegebiet eine leerstehende Industriehalle. Gegenüber eine Wiese, die Söhner gleich danach von der Stadt erwarb.

Bis dahin hatte die heutige Firma Selectrona geplant, sich in Glashütte weiterzuentwickeln. Eine erste Halle hatte Söhner dort an der Müglitz neu gebaut. Das Unternehmen gab den hochwassergefährdeten Standort aber auf und hat in Reinholdshain eine neue Halle aufgebaut und später seinen Hauptsitz darin eingerichtet.

Nach der Flut haben Mitarbeiter, Kollegen aus anderen Betrieben der Söhner-Gruppe und verschiedenste Helfer mit angepackt, um den Betrieb wieder zum Laufen zu bringen. Nach einer Woche liefen in Schlottwitz die ersten Maschinen wieder, nach zwei Wochen in Glashütte. Nirgendwo standen bei einem Kunden die Bänder still. Ein wichtiges Produkt war damals ein Fahrpedal für BMW. „Die bestanden aus mehreren Teilen. Erst haben wir eine Maschine wieder in Gang gebracht, dann die anderen, bis wir das ganze Pedal wieder herstellen konnten“, erinnert sich Kerstin Dottermusch. In der Zeit nach der Katastrophe ist ein Zusammenhalt im Betrieb entstanden, der noch Jahre danach zu spüren war, wie Steffen Söhner feststellt.