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Nichts mehr dahinter

Wo „Haus des Handwerks“ drauf steht, hat das Handwerk nichts mehr zu sagen. Das sollte auch die AfD wissen.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Sebastian Beutler

Tino Chrupalla weiß, wer ihn gewählt hat. „Handwerk ist sexy“ postet er auf seiner Facebook-Seite, regt sich darüber auf, dass das Handwerk im Bundeswirtschaftsbericht mit keinem Wort erwähnt wird, und zeigt sich in Dresden an der Seite der Handwerkspräsidenten. Seit der Bundestagswahl vereint das deutsche Handwerk und die Alternative für Deutschland (AfD) ein besonderes Verhältnis. Denn ohne die Handwerker wäre das Ergebnis für die rechtspopulistische Partei deutlich geringer ausgefallen, ohne die Handwerker im Landkreis Görlitz hätte der Malermeister Tino Chrupalla seinen Wahlkreis nicht direkt gewonnen. Laut einer Analyse des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap hat sich der AfD-Stimmenanteil bei den Selbstständigen in Ostdeutschland gegenüber 2013 fast vervierfacht. Er sei mit 22 Prozent höher als bei Rentnern und Angestellten, heißt es.

Nun soll das Handwerk auch die Wirtschaftsprobleme in der Region mitlösen. So hat es Chrupalla vor einer Woche auf dem Görlitzer Marienplatz erklärt. Dabei zitiert er in seiner AfD-Zeitschrift auch den Reim: „Ehre deutsches Volk und hüte Deinen Handwerksstand. Denn als das deutsche Handwerk blühte, blühte auch das deutsche Land.“ Noch heute ist der unverfängliche Spruch in manchen Geschäften zu finden, beispielsweise bei der Fleischerei Gruske auf dem Obermarkt. Um darüber hinaus aufzuzeigen, wie schlecht es um die Wertschätzung des Handwerks stehe, verwies Chrupalla auf das „Haus des Handwerks“ in Görlitz, das weiter verfalle.

Das ist bei der Kreishandwerkerschaft gar nicht gut angekommen. Zwar steht noch der Schriftzug „Haus des Handwerks“ an den beiden Gebäuden an der Bahnhofstraße, doch dem Handwerk gehört das Haus schon lange nicht mehr. „Das war ja auch ein Grund für unseren Umzug auf die Melanchthonstraße“, sagt Doris Grasse, Geschäftsführerin der Görlitzer Kreishandwerkerschaft. „Wir hatten und haben keine Einflussmöglichkeit auf das Erscheinungsbild dieses Gebäudes.“ Das Aussehen der Gebäude habe nichts mit dem organisierten Handwerk in der Stadt oder dem Landkreis Görlitz zu tun.

Tatsächlich hatte die Kreishandwerkerschaft das Haus Mitte der 1990er Jahre saniert für rund 4,5 Millionen Mark – rund 2,2 Millionen Euro. Darüber gab es Streit, der damalige Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft wurde gekündigt, der Kreishandwerksmeister abgesetzt. Dann beruhigte sich die Lage, doch einfach war es nie, das Haus voll zu vermieten. Allein für die Kreishandwerkerschaft oder die Handwerkskammer waren die Gebäude immer schon zu groß. Bereits 2002 mahnte daher Kreishandwerksmeister Wilfried Arndt: „Das Handwerk braucht mehr Lobby“. Denn es stimme nicht , dass alles für das Handwerk getan werde, obwohl es der größte Arbeitgeber in der Region sei. Als auch noch die Gaststätte schließen musste, ging es erst recht bergab mit dem Anwesen, irgendwann verkaufte die Handwerkerschaft das Haus. Schließlich kam das „Haus des Handwerks“ Anfang März 2015 in Dresden zur Versteigerung. Für 235 000 Euro ersteigerte es ein neuer Käufer, der immer anonym blieb. Doch auch nun ging es nicht voran. Während die Kreishandwerkerschaft auszog, mietete sich der Nachtclub „Skyroom“ in die frühere Gaststätte ein. Mittlerweile sind es vor allem Firmen mit polnischem Namen, die an der Klingelanlage zu finden sind.

Anfang 2017 soll das Objekt nochmals an einen Berliner Eigentümer übergegangen sein. Am Zustand änderte das nichts, auch nicht daran, dass das Handwerk damit abgeschlossen hat.