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Nicht mehr der Feind in seinem Tor

Sie sind Rivalen, aber auch die bekanntesten Handballer im Land des Europameisters. Auf Silvio Heinevetter und Andreas Wolff kommt es besonders an.

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© dpa

Von Tino Meyer, Sveti Martin

Gegensätze ziehen sich an. Das stimmt nicht, jedenfalls nicht ganz. Andreas Wolff und Silvio Heinevetter können privat kaum was miteinander anfangen. Das liegt zum einen an den geografischen Gegebenheiten. Wolff spielt derzeit beim THW Kiel und spätestens ab Sommer 2019 für den polnischen Spitzenklub Kielce, Heinevetter wiederum ist in der Metropole Berlin zu Hause. Das erklärt schon einiges und hat auch mit ihren Charakteren zu tun.

Für den deutschen Handball sind beide Torhüter dennoch ein Glücksfall, wie auch der Bundestrainer bei der Europameisterschaft festgestellt hat. „Ich hoffe, dass sie so weitermachen wie bisher. Ich bin zufrieden mit ihnen“, sagt Christian Prokop. Einige Dinge verbinden Wolff und Heinevetter schließlich doch: Weltklasse zwischen den Pfosten, dass sie darüber aber am liebsten nicht reden wollen – und trotzdem die Wortführer in der Nationalmannschaft sind. Was zu einer vierten Gemeinsamkeit führt: ihre Popularität.

Stefan Kretzschmar, vielleicht der letzte echte deutsche Handball-Weltstar, mag vor der EM über fehlende Typen in seiner Sportart geklagt haben, Wolff und Heinevetter kann er damit nicht gemeint haben. Denn nicht nur die Autogramme des Duos sind die gefragtesten. Tauchen sie in der Lobby des Mannschaftshotels auf, sind bald nur noch ihre Köpfe zu sehen – dicht bedrängt von Fragestellern, die sie mit ihren Gardemaßen natürlich locker überragen. Wolff ist 1,98 Meter, Heinevetter gerade mal vier Zentimeter kleiner.

Es ist also kein Zufall, dass beide Torleute die deutlichsten Worte finden zu den anhaltenden Misstönen rund um das Nationalteam, ihren Trainer und das bisher eher enttäuschende Auftreten. Ihm gehe das tierisch auf den Zeiger, sagt Heinevetter am Wochenende und meint den medial thematisierten atmosphärischen Riss innerhalb des Teams: „Von wegen, wir machen alles alleine, so ein Schwachsinn. Wir sind als Mannschaft hier, und da gehört der Trainer dazu.“ Am Mittwoch hat Wolff nun noch mal nachgelegt. „Es ist irrelevant, was in Zeitungen oder Internetforen steht. Im Nachgang können wir sehen, was wir verbessern können. Wir sind eine Mannschaft. Und das ist es, was Heine meinte“, sagt er.

Das ist Klartext, wie man ihn von Wolff inzwischen kennt und von Heinevetter ohnehin erwartet. Beide wissen um ihre Wirkung und auch ihren Stellenwert. Dass sich der eine dabei auf den anderen bezieht, ist jedoch neu. Eigentlich hatte man den Eindruck, sie gehen sich besser aus dem Weg.

Heinevetter vertreibt sich die freie Zeit in Kroatien mit Darts, Wolff liest stattdessen Bücher, das dritte schon seit Turnierbeginn. Von Heinevetter weiß man zudem, dass er mit der Schauspielerin Simone Thomalla liiert ist und ein emotionaler Vulkan noch dazu, Wolff dagegen geht gerne mit den Hunden und seiner Verlobten spazieren. Anders als beim Kollegen gibt es davon aber keine Fotos in den Boulevardblättern, er bevorzugt die Ruhe.

Der Umgang miteinander hat sich jedoch offenbar verändert. Rivalen sind sie natürlich weiterhin. Und respektiert haben sie sich schon immer, wohlwissend, dass einer allein auf dem Spielfeld auf Dauer scheitern wird. Sie ergänzen sich also, aber das zunehmend und sichtlich besser. Gerade Heinevetter, mit 33 Jahren der älteste und erfahrenste deutsche Spieler, wirkt gereifter – vor allem seit er für die EM 2016 nicht nominiert worden ist.

Deutschland feierte damals den sensationellen Titelgewinn und Wolff seinen Durchbruch. Dass der 26-Jährige öfter zu Spielbeginn im Tor steht, hätte Heinevetter früher kaputt gemacht. Nun entgegnet er gelassen: „So wie der Trainer es will. Ich weiß, dass ich mich drauf einstellen muss, immer bereit zu sein. Und das bin ich.“

Im Spanien-Spiel wird es wieder auf sie ankommen – und eine gute Leistung nicht ausreichend sein. Überragende Werte müssen her, eine Quote gehaltener Bälle nahe der 50 Prozent. Von wem, ist völlig egal. Die Summe muss stimmen, damit Deutschland gewinnen kann und vielleicht doch noch ins EM-Halbfinale einzieht.

TV-Tipp: Das ZDF überträgt das Spiel der Deutschen gegen Spanien am Mittwoch ab 20.30 Uhr live.