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Nicht gebildet, nicht politisch?

Ein 33-Jähriger stand vor Gericht, weil er bei einer Demo einen Hitlergruß gezeigt und ein Shirt mit SS-Runen getragen haben soll.

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© SZ

Von Andrea Schawe

Freital. Thomas I. ist kein Neonazi, da sind sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung in ihren Plädoyers einig. Dem 33-Jährigen wird am Amtsgericht Dippoldiswalde vorgeworfen, im April 2015 auf einer Demonstration in Freital einen Hitlergruß gezeigt zu haben. Außerdem wurde er im September 2015 mit einem „Bossmodus“-T-Shirt erwischt – das „SS“ war eine Doppelsiegrune, darüber ein Balken: „zensiert“. Beides ist strafbar als Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Thomas I. bestreitet, den Hitlergruß gezeigt zu haben. „Ich habe meinen Bruder gegrüßt“, sagte der gebürtige Freitaler vor Gericht. Er habe nur „normal“ den Arm gehoben, nicht ausgestreckt. Auch beim T-Shirt sei er sich keiner Schuld bewusst. Er habe es bei Fußballspielen von Dynamo Dresden an, weil es schwarz-gelb ist. „Es war mir nicht bewusst, dass es irgendwelche Runen sind.“

„Wir haben viele Zeugen gehört und versucht, Licht ins Dunkel zu bekommen“, sagte Staatsanwalt Michael Vogler in seinem Plädoyer am vierten Verhandlungstag. Zwei der acht vernommenen Polizisten, die damals die Demo sicherten, haben den Hitlergruß gesehen. „Für sie gab es keine Frage, es war ein Hitlergruß. Und das glaube ich.“ Auch auf dem Shirt seien eindeutig SS-Runen und Reichkriegsfarben zu erkennen, sagte Vogler. Der „zensiert“-Balken sei Hohn. „Wenn man weiß, was ein Hitlergruß ist, weiß man auch, was auf dem T-Shirt zu sehen ist.“ I. sei kein Neonazi, möglicherweise seien Gruppenzwang, Alkohol und die Situation in Freital ein Grund für die Taten. Er forderte fünf Monate Freiheitsstrafe.

I.s Verteidiger Michael Sturm forderte Freispruch. Paragraf 86a des Strafgesetzbuches sei Gesinnungsstrafrecht, mit dem Werbung für den Nationalsozialismus verhindert werden soll. Sein Mandat habe die Ideologie aber bestritten, sein Bruder habe das bestätigt. „Herr I. ist kein gebildeter Mensch, er ist nicht politisch, auch kein Neonazi“, sagte Sturm. Um bestraft zu werden, müsse er wissen, dass er mit so einem T-Shirt Propaganda macht. „Das ist zu hoch für Herrn I.“

Auch der Hitlergruß sei seiner Meinung nach nicht nachgewiesen. Der Truppenführer habe ausgesagt, ein ausgestreckter Arm und in einem Winkel über 90 Grad sei ein klarer Hitlergruß. „Mein Mandant ist kein Nazi und hat eine Erklärung.“ I. müsste bei einer Verurteilung ins Gefängnis, weil er gegen die Bewährung verstoßen hätte. „Wenn er ein Hardcore-Nazi wäre, dann hätte ich damit kein Problem. Die verteidige ich auch nicht“, sagte der Rechtsanwalt. „Bei Herrn I. wäre es der falsche Weg. Man darf den Einzelnen nicht zum Objekt der Abschreckung machen.“

Richterin Daniela Höllrich-Wirth verurteilte Thomas I. zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten. „Ich bin überzeugt, dass Ihnen der Vorwurf zu Recht gemacht wurde“, sagte sie. „Auch wenn ich glaube, dass sie kein harter überzeugter Nazi sind.“ Diese Einstellung sei mittlerweile cool, „wenn man einen Hitlergruß zeigt, bekommt man Applaus von den Kumpels.“ Diese Symbole müssten aber aus der Kommunikation herausgehalten und bestraft werden, nicht nur als Werbung, sondern auch, wenn einer diesen Einstellungen Vorschub leisten will.

Auch den Straftatbestand durch das Tragen des T-Shirts sah die Richterin als erfüllt an. Die Schrift steche so ins Auge und springe einen an, das müsse auffallen. „Sie haben das Shirt den ganzen Tag im Stadion getragen“, sagte Höllrich-Wirth. Das habe der Angeklagte selbst ausgesagt. „Dass die SS-Rune nichts mit Fußball zu tun hat, da sind wir uns ja wohl einig.“ Sie gehe davon aus, dass I. das Shirt bewusst getragen habe, „um zu provozieren“. Ob das mit einer überzeugten rechten Gesinnung zusammenhängt, darauf komme es nicht an. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.