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Neustart für die Einkaufsmeile

Familie Müller hat die Bahnhofstraße in Radebeul am Sonnabend neu entdeckt. Mit Spektakel und unerwarteten Begegnungen.

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© Arvid Müller

Von Ulrike Keller

Radebeul. So hat das Dreiergespann die Bahnhofstraße noch nie erlebt. Als Fußgängerboulevard, mit Bühne, Ständen, Sitzgelegenheiten und Spieleangeboten für die Kleinen. „Hier ist richtig Stimmung“, stellt Magdalena Müller, die junge Mama, am Sonnabendvormittag fest. „Schön, wie alles geschmückt ist und sich die Geschäfte nach außen ausgebreitet haben.“

Schon auf dem Weg von der Straßenbahnhaltestelle an der Meißner Straße in Richtung Anger fällt ihr und ihrem Mann Sebastian auf: „Es ist belebter und bunter, als wir es kennen.“ Nach Kötzschenbroda kommt das Trio nur unregelmäßig. Es ist eher in Ost unterwegs, wo es wohnt.

Sohnemann Aaron hat nur Augen für die Hüpfburg nahe der Herrmann-Ilgen-Straße. Gegenüber diesem Magnetpunkt ist auch der Hartgummi-Elefant uninteressant, den die Eltern gerade auf dem Flohmarkt am Bahnhof erstanden haben. Dort hatten sie auf ein paar Stände mehr gehofft. Beide studieren noch, und Kindersachen sind mit Bafög schwer erschwinglich, erzählen sie. Immerhin, ein schönes T-Shirt haben sie noch gefunden.

Durch den Flohmarkt-Flyer ist die Familie überhaupt erst auf das Händlerfest in Kötzschenbroda aufmerksam geworden. „Das Wort Frühlingsspektakel hat uns neugierig gemacht“, verrät die angehende Germanistin. „Ich habe mich darauf gefreut, mich hier mal entspannt umgucken zu können, mit dem Wissen, dass es etwas essen gibt und der Kleine Unterhaltung hat.“

Das diesjährige Frühlingsspektakel ist das dritte seiner Art und bislang größte. „Erstmals erproben wir es als Stadtteilfest“, sagt Festprojektleiterin Nadine Wollrad. Die Händlergemeinschaft wirkt nahezu geschlossen mit. Über 100 Aktionen verteilen sich über den Tag. Und es ist der offizielle Startschuss für das Sanierungsgebiet Zentrum Radebeul-West.

Davon hat Magdalena Müller gehört. „Ost ist ja richtig schön geworden“, lobt sie. „Aber was genau ist in West geplant?“ Spontan marschiert sie mit dieser Frage zum Bürgertreff. Dort empfiehlt man ihr zur umfassenden Information die Tour durchs Sanierungsgebiet. Für eine Kurzfassung wird sie an Baubürgermeister Jörg Müller verwiesen, der gerade zufällig in der Nähe steht. „Es geht um die Gestaltung von sieben Hektar mit mehreren Schwerpunktbereichen“, erklärt er gern. Als Beispiele nennt er den Bahnhof mit Vorplatz, die Bahnhofstraße als künftigen Einkaufsboulevard und den Schulstandort Harmoniestraße. Die 26-Jährige nickt zufrieden.

Ups, eine Rose. Die bekommt sie von der Frauen-Union Meißen in die Hand gedrückt. Zum Muttertag. Für die Aktion ist der Bundesinnenminister mit vor Ort. Als Student der Geschichte und Politikwissenschaft nutzt Sebastian Müller die günstige Gelegenheit gleich mal für eine Frage: Inwiefern gibt es eigentlich einen Austausch zwischen Politikern und Wissenschaftlern? Thomas de Maizière erzählt, dass etliche seiner Praktikanten aus der Politikwissenschaft kommen. Die Dresdner Professoren Patzelt und Vorländer kenne er gut. „Es gibt viel Austausch mit der Wissenschaft“, sagt er, „aber wir hängen es nicht an die große Glocke.“ Geduldig posiert er für ein Familienbild per Handy. Dann muss der CDU-Minister im blauen Anzug weiter.

Müllers schlendern zum Anger. Ein Juchzen beim Anblick parkender Raritäten am Goldenen Anker: „Ah, hier ist die Oldtimerschau“, sagt Magdalena Müller. „Sie ist eher für ältere Autos, ich für neue“, kommentiert ihre bessere Hälfte lächelnd. Kurz noch ein Blick zu den Händlern vis-à-vis dem Hoteleingang. Ein Laden mit Betonkeramik weckt ihr Interesse. Im Unterwäschegeschäft versucht sich ein Paar gerade im Erraten von BH-Körbchengrößen. Auf Wunsch des Gatten. Es ist eine von 18-Rallyestationen in Geschäften. Für Teilnehmer winken Preise im Wert von 2 000 Euro.

Mit Klein-Aaron ist Müllers die Rallye zu anstrengend. Sie gehen es betont ruhig an. Auf dem Rückweg kehren sie auf der Bahnhofstraße ins Kindercafé ein. Nadine Wollrad vom Organisationsteam hat es für den Spektakel-Tag in einem der aktuell sieben leerstehenden Geschäfte geöffnet. Als Anregung für Leute mit Kapital, aber ohne Ideen. Das kindgerechte Angebot und Ambiente begeistert Magdalena Müller. „Es wäre schön, wenn es das immer gäbe“, sagt sie. „In normalen Cafés weiß man immer nicht, ob man mit Kind erwünscht ist.“

Perfektes Timing. Gegen zwölf ist das gut gelaunte Dreiergespann in Höhe der Bühne, als Radebeuls OB und Schirmherr der Veranstaltung, Bert Wendsche (parteilos), die Starterklappe zusammenschlägt. „Los geht’s“, ruft er. „Es darf saniert werden.“ Dieser Schritt sei als Mutmacher für alle gedacht. Händler, Eigentümer, aber auch Besucher und Kunden, die das Gebiet mit seinen Angeboten annehmen müssten.

Der OB spricht gleich noch die Idee eines Wochenmarkts auf der Bahnhofstraße an. Drei Varianten würden im Bürgertreff vorgestellt. „Sagen Sie uns Ihre Meinung“, fordert er auf. „Wochenmarkt“ ist das Stichwort. Magdalena und Sebastian Müller beschließen mit Aaron: Zeit für ein Mittagsspektakel mit Bratwurst und Brötchen.