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Neusörnewitzer vertragen sich mit Flüchtlingen

Bürger organisieren Deutschkurse und erklären die Mülltrennung. Das war mal ganz anders.

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© Norbert Millauer

Von Stephan Hönigschmid

Neusörnewitz. Als Anfang des Jahres bekannt wurde, dass in Neusörnewitz ein Asylbewerberheim eingerichtet werden soll, kochte die Stimmung hoch. Unbekannte schmierten gar ein Hakenkreuz an die Eingangstür des Hauses. Mittlerweile scheint sich die Stimmung aber beruhigt zu haben.

Mehyedine Badnjky möchte hier in seinem gelernten Beruf als Konditor arbeiten. Gemeinsam mit drei anderen Syriern lebt er in einer Wohnung.
Mehyedine Badnjky möchte hier in seinem gelernten Beruf als Konditor arbeiten. Gemeinsam mit drei anderen Syriern lebt er in einer Wohnung. © Norbert Millauer
An der Eingangstür hängt eine Erläuterung der Mülltrennung auf Arabisch.
An der Eingangstür hängt eine Erläuterung der Mülltrennung auf Arabisch. © Norbert Millauer

„Das Miteinander von Flüchtlingen und Bevölkerung hat sich gut entwickelt. In den vergangenen Monaten gab es kaum Beschwerden“, sagt Reinhard Meissner, der bis zu seinem durch interne Querelen verursachten Rücktritt am Montag in der Bürgerinitiative „Coswig – Ort der Vielfalt“ aktiv war. Allerdings ist diese Entwicklung kein Zufall. Vor allem der 70-jährige Rentner hat sich maßgeblich dafür eingesetzt. „Ich habe den Nachbarn mein Kärtchen gegeben und ihnen gesagt, dass sie mich sofort anrufen können, wenn es Probleme gibt“, so Meissner.

Gleichzeitig setzte er sich gemeinsam mit seinen 70 Mitstreitern für eine schnelle Integration der Flüchtlinge ein. „Wir haben beispielsweise zusammen Müll getrennt, weil ich wusste, dass die Nachbarn da ein Auge drauf haben.“ Zudem hätte er den jungen Männern geraten, keinen Alkohol vor dem nahe gelegenen Getränkeladen zu konsumieren, weil auch das die Einheimischen provozieren könnte, sagt Meissner.

Trotz der positiven Entwicklung hält er die Unterbringung der 39 Flüchtlinge nicht für ideal. „Die dezentrale Unterbringung wie sie sonst in Coswig praktiziert wird, ist die bessere Lösung. Zum einen gibt es weniger Konfliktpotenzial mit anderen Flüchtlingen und zum anderen funktioniert die Integration durch das Zusammenleben mit den Einheimischen deutlich besser“, so Meissner.

Vom Analphabeten bis zum Hochschulabsolventen

Damit die Neusörnewitzer Asylbewerber nicht ins Hintertreffen geraten, organisiert der Rentner seit Mai Deutschkurse. „Es gibt bereits zwei Kurse in Coswig. In Neusörnewitz geht es im September los.“ Allerdings sei es nicht immer einfach, allen gerecht zu werden, weil das Wissensniveau sehr unterschiedlich ist. „Das Spektrum reicht vom Analphabeten bis zum Hochschulabsolventen“, sagt der 70-Jährige.

Ein Neusörnewitzer Flüchtling, der die Sprache bereits sehr gut beherrscht, ist Bajram Murseli (34). Vor sieben Monaten kam er aus dem Kosovo nach Deutschland. Er fühlt sich sichtlich wohl in der kleinen Wohnung, die etwa gehobenem Jugendherbergsstandard entspricht. „Mir gefällt es hier sehr gut. Ich komme sowohl mit den anderen Bewohnern als auch mit den Einheimischen gut klar“, sagt Murseli. Vor Kurzem habe er im örtlichen Verein Motor Sörnewitz mit dem Fußballspielen begonnen. Und wenn er Glück hat, kann er dort auch einen Ein-Euro-Job bekommen.

„Nach mehr als drei Monaten in Deutschland darf er arbeiten. Aber es ist nicht so leicht, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden und die damit verbundene Bürokratie zu bewältigen“, sagt Meissner. Ähnlich schwierig war es, ein Konto bei der Sparkasse zu bekommen. „Man hat gemerkt, dass die Sparkasse anfangs kein großes Interesse hatte“, so Meissner.

Auf eine Chance hofft auch Mehyedine Badnjky (29) aus der syrischen Stadt Aleppo. Auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg kam er vor zwei Monaten nach Neusörnewitz. „Ich bin ausgebildeter Konditor und möchte gern in Deutschland in diesem Beruf arbeiten“, sagt er. Bereits seit seiner Kindheit ist er von Deutschland fasziniert. „Ich wollte immer so viel wie möglich über die deutsche Sprache und Kultur wissen. Außerdem bin ich Fan von Bayern München“, so der 29-Jährige.

Gegenwärtig leben in der Unterkunft neben den bereits erwähnten Menschen aus Syrien und dem Kosovo außerdem Bewohner aus Afghanistan und Pakistan. Vier Personen sind jeweils in einer Wohnung untergebracht.

Trotz des bunten Nationalitätenmixes merken die Anwohner fast nichts von den Flüchtlingen. „Mir sind keine Probleme bekannt. Ich weiß nur, dass sie immer sehr höflich grüßen“, sagt eine 55-jährige Frau. Nur Positives berichtet auch Markus Lippert, der in der Nähe arbeitet: „Sie haben sich gut eingelebt und machen auch mal Grillfeste, bei denen die Nachbarn vorbei kommen“, weiß der 26-Jährige.