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Neun Euro warm in Gorbitz

Bewohner an der Harthaer Straße zahlen immer mehr Nebenkosten. Die Hausverwaltung sieht darin kein Problem.

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© Christian Juppe

Sophie Arlet und Annechristin Bonss

Dresden. Als Andreas Mühlbach nachts wach wird, denkt er zunächst, er träumt. Mitten im August sind die Heizungsrohre warm. Seine Heizkörper stehen auf null, doch sobald die Temperaturen nachts unter zwölf Grad sinken, fließt in seinem Haus an der Harthaer Straße heißes Wasser durch die Rohre. Das bringt für Mühlbach das Fass zum Überlaufen. Bereits seit drei Jahren sehen sich die Mieter seines Hauses mit hohen Nachforderungen für Betriebs- und Heizkosten konfrontiert.

„Von 2015 auf 2016 sind die Betriebskosten um fast 2 000 Euro gestiegen“, sagt Mühlbach. Die müssen sich die achtzehn Parteien in seinem Hauseingang teilen. Der Hauswart kostet 645 Euro mehr. Für die Gebäudereinigung stehen 170 Euro mehr auf der Rechnung, für die Pflege der Außenflächen und den Winterdienst kommen 264 Euro mehr dazu. Spitzenreiter aber ist die Versicherung, die der Vermieter für den Eingang zahlt. Die kostet 2016 1 140 Euro mehr als im Vorjahr. Von 2014 auf 2015 wurde dieser Posten schon einmal erhöht, um 810 Euro. Andreas Mühlbach kann das nicht verstehen. Eine solche Preissteigerung sei Wahnsinn. Die Folgen sieht er an der Warmmiete. Für seine Zwei-Zimmer-Wohnung mit knapp 50 Quadratmetern zahlt er 456 Euro. Das sind 9,12 Euro pro Quadratmeter warm – im Plattenbau am Stadtrand. Zwar liegt die Kaltmiete mit knapp sechs Euro pro Quadratmeter unter dem Durchschnitt in Dresden. Die Neben- und Betriebskosten machen die Wohnung aber immens teuer.

Auch bei Mühlbachs Nachbarin Fatima Gläser hat sich die Freude über die neue Wohnung bereits gelegt. Sie wohnt seit einem Jahr mit ihrem Mann und der knapp zweijährigen Tochter an der Harthaer Straße. 240 Euro Nebenkosten soll die Familie nachzahlen. „Dabei haben wir kaum geheizt, nur in Wohn- und Schlafzimmer“, sagt Gläser. Die hohen Kosten kommen auch durch die Heizungsrohre. Die verlaufen unisoliert durch die Wohnungen.

Andere Großvermieter haben dieses Problem erkannt. Unter anderem rüstet die Wohnungsgenossenschaft Glückauf Süd derzeit ihre Gebäude vom System der Einrohrheizung auf Zweirohrsysteme um. Dann bezahlt jeder nur den eigenen Verbrauch. Nachbar Mike Heide hat in den vergangenen Jahren für seine Einzimmerwohnung Nachforderungen von mehreren Hundert Euro erhalten. „Das ist erst seit drei Jahren so“, sagt er. Vorher hätte er nichts nachzahlen müssen und sogar etwas rausbekommen. Andere Bewohner im Haus müssen knapp 800 Euro Nebenkosten nachzahlen.

Seit 2014 gehört das Haus der Grand City Property. Die Firma hat viele Häuser in Gorbitz und Prohlis gekauft. Die Hauptniederlassung des Unternehmens ist auf Zypern, der Deutschlandsitz in Berlin. Hier findet der Unmut der Mieter kaum Gehör. „Die Gesamtkosten sind im ersten Abrechnungsjahr gesunken. Für die Jahre 2015 und 2016 sind die Gesamtkosten geringfügig gestiegen“, erklärt Sprecherin Katrin Petersen auf Nachfrage. Auf die konkreten Fälle geht sie nicht ein. Gründe für die Steigerung seien zum Beispiel die allgemein steigenden Energiekosten sowie die Leistungen einiger externer Dienstleister, die immer in genauem Umfang und nach tatsächlich erbrachter Leistung gemäß gültiger Gesetzgebung und Mietvertrag auf die Mietparteien umgelegt werden.

Mindestlohn treibt die Kosten hoch

Beim Problem der Heizungsrohre verweist die Sprecherin auf die kostenlose Service-Nummer des Unternehmens. Dorthin können sich Mieter mit ihren Anliegen wenden. „Das Service-Center ist zweifach TÜV-zertifiziert“, sagt sie. „Zum Thema Heizungsrohre in den Wohnungen liegt uns keine Meldung vor. Wir können nur aktiv werden, wenn die Mieter uns entsprechend informieren.“

Katrin Kroupová vom Mieterverein nennt noch einen anderen Grund für die plötzlichen Kostensteigerungen. Die könnten auch daran liegen, dass der vorherige Besitzer die Rohrwärme nicht angerechnet hat, sagt sie. Die Anrechnung sei aber zulässig. Denn wenn im obersten Stockwerk die Heizung aufgedreht wird, heizen die warmen Rohre auch die darunterliegenden Wohnungen mit – allerdings auch dann, wenn die Mieter das gar nicht wollen. Auf der Abrechnung wird dann ein fiktiver Verbrauch angegeben, zusätzlich zum tatsächlichen Verbrauch am eigenen Heizkörper. Ein Grund für die gestiegenen Kosten für Hauswart und Winterdienst könnte der Mindestlohn sein, sagt Kroupová. Der wurde 2015 eingeführt.

Der Mieterverein Dresden bietet Beratungen zum Thema an. Die Mitgliedschaft kostet 84 Euro im Jahr sowie eine einmalige Aufnahmegebühr von 10 Euro. Darin enthalten sind alle Beratungen, Hilfe beim Schriftverkehr und eine Rechtsschutzversicherung. Geringverdiener können beim Jobcenter einen Berechtigungsschein für kostenlose Beratungen beantragen. Im Internet kann man sich mietrechtliche Infos zu verschiedenen Themen durchlesen. Die Verbraucherzentrale in Dresden bietet zudem einen Energie-Check vor Ort an. Der kostet 10 Euro, für einkommensschwache Haushalte ist er kostenlos.

Die Mieter der Harthaer Straße haben inzwischen Widerspruch gegen die Nachforderungen eingelegt. Zwei Parteien sind bereits ausgezogen, weil sie die nächste Abrechnung nicht mehr mitmachen wollen.

www.mieterverein-dresden.de/mietrecht