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Neumarkt-Wächter halten alte Riesch-Fassade für machbar

Die Gesellschaft Historischer Neumarkt widerspricht dem Investor. Angeblich stehen weitere Interessenten bereit.

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© Visualisierung: Arte4D/GHND

Von Lars Kühl

Fragt man die Gesellschaft Historischer Neumarkt, hat die bereits zu viele zeitgenössische Pillen schlucken müssen. Die selbst ernannten Wächter der Vorzeige-Innenstadt rund um die Frauenkirche verstehen sich als Sprachrohr der Dresdner, die nun einmal mehrheitlich die möglichst originalgetreue Rekonstruktion des Neumarkt-Areals im Zustand vor dem Inferno vom Februar 1945 wollen. Eine moderne Fassade für den Nachbau des Palais Riesch an der Rampischen Straße 16 bis 18 lehnen sie deshalb rigoros ab. Genau das will allerdings der Investor für das gesamte Quartier Hoym, die CG-Gruppe aus Berlin.

Weil eine Fassade nach historischem Vorbild nicht möglich sein soll, ...
Weil eine Fassade nach historischem Vorbild nicht möglich sein soll, ... © Visualisierung: CG-Gruppe
... favorisiert der Investor CG-Gruppe eine moderne.
... favorisiert der Investor CG-Gruppe eine moderne. © Visualisierung: CG-Gruppe

Begründet wird die Entscheidung damit, dass die Gestaltung nach historischem Vorbild eine sinnvolle Anordnung der Räume dahinter für Wohn- und Bürozwecke nicht zulasse. Im Erdgeschoss seien die Zimmer viel zu hoch, in den Stockwerken darüber zu niedrig. Durch die Fenster würde zu wenig Licht eindringen. Nur eine moderne Variante für die Außenhaut mit größeren, neu angeordneten Fenstern würde diese Probleme lösen. Doch hier hebt die Neumarkt-Gesellschaft den Finger und erklärt in persona ihres Vorsitzenden Torsten Kulke: „Die sächsische Bauordnung sieht vor, dass historische Raumhöhen kein Problem sind.“ Er und seine Mitstreiter haben sich nach dem, wie er sagt, „Tiefschlag“ bei der Präsentation der modernen Fassade vor zwei Wochen, „der mich ein Stück weit bedient gemacht hat“, noch einmal mit dem eigenen Favoriten auseinandergesetzt.

Mit dem Ergebnis: Der Entwurf zum historischen Wiederaufbau des Palais Riesch ist genehmigungsfähig. Verantwortlich dafür war das Architekturbüro Henke. Dieses hatte die CG-Gruppe auf Wunsch der Gesellschaft Historischer Neumarkt am Fassadenwettbewerb beteiligt.

Die moderne Version ist eine Gemeinschaftsproduktion der Architekten Dähne und Pfau. Deren Vorschlag lässt die CG-Gruppe nun bis Ende April noch einmal von neun Architektenbüros überarbeiten, weil die Kritik daran so heftig ist. Allerdings mit der Maßgabe: Modern muss es bleiben, weil es historisch nicht machbar sei. Daran setzt sich die Kritik der Neumarkt-Wächter fort. Das sei eben nicht so, erklärt Kulke. Er vermisst den Willen und spricht CG-Chef Christoph Gröner die Kreativität ab. Stattdessen sei dieser auf Optimierung der Wohnflächen fixiert, um den Gewinn zu steigern. Luxusappartments mit hohen Decken wären nicht vorgesehen. Die Folge seien sieben Geschosse in der modernen Version statt fünf bei der historischen. Gröner weist die Vorwürfe entschieden zurück, dass er „mehr Fläche“ bei der Erstellung der Gutachten über die Belichtung gefordert hätte. Eine andere Nutzung als für Wohn- und Bürozwecke sei nicht infrage gekommen, weil sich schlicht kein Interessent gemeldet habe.

Kulke hält dagegen, dass dafür die Zeit zu kurz war. Der frühere Baubürgermeister Gunter Just bringt einen Kammermusiksaal im Erdgeschoss ins Gespräch, Kulke die Stiftung Frauenkirche. Mögliche Nutzer gebe es sicher, nur wäre der Mietertrag geringer als bei einem reinen Wohn- und Geschäftshaus. Dabei hätten die Bewahrer bereits Zugeständnisse gemacht, indem sie auf ihre Forderung verzichten, den Garten und das Gartenhaus im Hof wieder zu errichten. So würden 2 500 bis 3 000 Quadratmeter mehr Wohnfläche entstehen. Auch bei der Ladenzeile im Erdgeschoss könne man sich vorstellen, größere Schaufenster einzubauen, falls Geschäfte einziehen sollen. Kulke fordert, dass das Objekt „seinen Palais-Charakter“ behält. Er verlangt von der CG-Gruppe, nochmals alle Möglichkeiten zum Wiederaufbau mit historischer Fassade zu prüfen. Und er nimmt Gröner beim Wort. Der hatte vor einem halben Jahr gesagt, dass er das Palais Riesch wieder errichtet, wenn es die große Mehrheit der Dresdner möchte. Eine moderne oder historische Fassade, das sei laut Gröner etwa gleich teuer.

Falls die CG-Gruppe die Rekonstruktion wirklich für nicht machbar ansieht, präsentiert Kulke eine Lösung: Es stehe ein Investor bereit, der das Palais-Grundstück kaufen und das Riesch wiederaufbauen würde – originalgetreu. Wer das ist, wollte Kulke noch nicht verraten. Kommentar