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Neues Leben in der alten Post

Die ersten Senioren sind in das sanierte Pulsnitzer Gebäude eingezogen. Der Bau sollte schon eher beendet sein.

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© Matthias Schumann

Von Reiner Hanke

Pulsnitz. Ein Weihnachtsbaum funkelt vor dem früheren Eingang zum „Alten Postamt“ in Pulsnitz in den Nachthimmel. In dem Gebäude werden längst keine Briefe mehr sortiert. Hier sind jetzt die ersten Senioren eingezogen, ins betreute Wohnen. Seit dem Vorjahr wurde umgebaut. Das Post-Portal ist jetzt ein kleiner Balkon. Hinter den Türen verbirgt sich keine Schalterhalle mehr mit Telefonzellen. Der Blick öffnet sich in einen hell erleuchteten Raum mit weihnachtlich geschmückten Tischgruppen. Für das Licht sorgen Lüster unter der Decke, die etwas Nostalgie in den Raum bringen. Im Kontrast dazu stehen die LED-Leuchten in der Decke. „Helle Räume sind wichtig für die Bewohner“, sagt Mandy Stübner. Sie ist Assistentin der Geschäftsführung der Pflegeheim Pulsnitz GmbH und rechte Hand des Investors und Geschäftsführers Henry Mülder, zugleich Eigentümer der „Alten Post“. Er investierte 6,7 Millionen Euro in seine beiden neuen Einrichtungen in Bischheim und Pulsnitz.

Die Lounge unter dem Dach lädt zum Schwatzen oder einem geselligen Rommé-Abend ein.
Die Lounge unter dem Dach lädt zum Schwatzen oder einem geselligen Rommé-Abend ein. © Matthias Schumann
Die historische Postfassade wurde erhalten. Nachts wird sie von Strahlern in Szene gesetzt.
Die historische Postfassade wurde erhalten. Nachts wird sie von Strahlern in Szene gesetzt. © Matthias Schumann

Mandy Stübner führt dort durch die Räume. Schon die Planer hatten es angekündigt: „Wir wollen den Charakter des Hauses bewahren und dennoch Neues schaffen.“ Das frühere „Kaiserliche Postamt“ wurde 1912 eingeweiht. Der Charme des Jugendstilbaus ist in vielen Details zu entdecken. Natürlich in der Fassade. Das alte Amtsgebäude wird von zwei modernen Anbauten in die Mitte genommen, aber nicht erdrückt. In den neuen Bereichen ist Platz für weitere Wohn- und Wirtschaftsräume und den Aufzug – für eine barrierefreie Einrichtung unverzichtbar.

Im Gemeinschaftsraum fällt die Gestaltung mit Jugendstilornamenten an ausgewählten Wänden auf. Erhalten hat der Bauherr die historischen Rundbogen-Holzfenster. Im Kontrast dazu steht die moderne Einrichtung. Blickfang ist ein Kachelofen. Den setzten die Handwerker 1:1 aus der früheren Wohnung des Amtsvorstehers um. Der Ofen verbreitet wieder eine anheimelnde Wärme. So schlagen die Architekten den Bogen wieder zur Historie. Wie auch im Treppenhaus, das erhalten wurde oder der Lounge unter knorrigen Dachbalken ganz oben im Gebäude mit Blick auf den Eierberg.

Übergang zischen Zuhause und Heim

Zugleich sind die Anforderungen an eine moderne Einrichtung im Bereich der Altenpflege bzw. des betreuten Wohnens zu erfüllen. Auf das konzentriert sich der Eigentümer jetzt im „Alten Postamt“ und hat das ursprüngliche Pflegeheim-Konzept damit veränderten Bedingungen angepasst. Mandy Stübner erklärt das Umdenken. Hintergrund sind Veränderungen im sächsischen Pflegegesetz. Alternative Wohnformen bekommen damit durchaus einen Schub, auch die Pflege daheim. In der „Alten Post“ schafft der Investor nun eine Art Übergang zwischen Daheim und Heim. So können beispielsweise Ehepaare hier einziehen, auch wenn nur ein Partner pflegebedürftig ist. Es müsse kein Pflegegrad attestiert sein: „Wir denken, dieses Konzept wird dem Bedarf gerecht“, so Mandy Stübner. Ein selbstbestimmtes Leben in familiärer Gemeinschaft sei der Grundgedanke. Der Mangel an Pflegepersonal habe die Entscheidung zusätzlich befördert.

Die 21 Wohnungen mit seniorengerechtem Duschbad und Flur sind möbliert und behindertengerecht ausgestattet. Die Mieter können sich aber auch nach eigenem Geschmack einrichten. Es steht ein Pflegedienst zur Verfügung. Und auch die nötige Ausstattung vom Waschsalon übers Pflegebad bis zum Wannenlift ist da. Das Essen komme frisch aus der Küche im Pflegeheim nebenan. Es ist aber auch möglich, sich selbst etwas in Gemeinschaftsküchen zuzubereiten. Damit es den alten Herrschaften an nichts fehlt, dafür sorgt Hausleiter Lars Binder. Der gelernte Altenpfleger nimmt Wünsche auf. Er vereinbart Arzttermine oder die Fußpflege, geht auch mal zur Apotheke ein Rezept einlösen und hilft im Alltag. Für die Bewohner sei ja alles neu: „Zurzeit lernen wir hier alle noch jeden Tag dazu“, sagt er. Außerdem haben die Mieter Zugriff auf eine 24-Stunden-Rufbereitschaft. Im Erdgeschoss-Saal sind zudem Veranstaltungen geplant. Mit dem betreuten Wohnen schließe die Pflegeheimgesellschaft eine Lücke in ihrem Angebot an der Bahnhofstraße. Dort sind bereits das Pflegeheim, eine Tagespflege, der Pflegedienst und eine Physiotherapie zu Hause.

Farbliche Akzente werden gesetzt

Die ersten fünf Mieter haben sich jetzt eingerichtet. Mit einiger Verspätung. Ein großer Wasserschaden während der Bauarbeiten warf das Projekt zurück, erklärt Mandy Stübner. Die Havarie passierte übers Wochenende, nachdem die Bauleute abgezogen waren. Sogar neuer Fußboden musste wieder herausgerissen und die Räume aufwendig getrocknet werden. Von dem Schaden ist nichts mehr zu entdecken. Planken mit Eichendekor bedecken den Boden. Helle Eiche war auch die Wahl für das Dekor der Möbel auf den Zimmern. Neben schlichtem Weiß an den Wänden werden auch in den Wohnräumen farbliche Akzente gesetzt. Von Etage zu Etage, auch gut zur Orientierung der Bewohner.

Die Pulsnitzerin Ella Deutschmann hat sich schon eingelebt, mit ihren 94 Jahren. Der Blutdruck mache Probleme, sagt sie. Da es allein in der früheren Wohnung zu riskant geworden sei, haben ihr die Kinder zur „Alten Post“ geraten. Das hat sie bisher nicht bereut. „Hier ist alles schön“, sagt sie. Und zwei Frauen für einen Schwatz seien auch mit im Haus.