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Neuer Glanz neben Alter Post

Der 130 Jahre alte Klinkerbau in Löbau erhält ein neues Dach und einen Fassadenputz. Ein teurer Liebesdienst.

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© Markus van Appeldorn

Von Markus van Appeldorn

Löbau. Der mächtige Gründerzeit-Klinkerbau an der Ecke Poststraße / August-Bebel-Straße wirkt seit ein paar Tagen, als wäre Verpackungskünstler Christo am Werk. Weiße Planen umhüllen das Nachbargebäude der Alten Post vom Gehsteig bis zur Dachrinne. Event-Kunst ist es nicht, was hier passiert, doch wenn die Folie in ein paar Wochen wieder verschwunden ist, wird Löbaus Architektur ein bisschen heller strahlen.

1888 wurde das Haus an der Poststraße gebaut.
1888 wurde das Haus an der Poststraße gebaut. © privat
Alwin Sünder lebte mit seiner Kinderschar einst im Gebäude. Seine Söhne betrieben darin einen Lebensmittelhandel und eine Drogerie.
Alwin Sünder lebte mit seiner Kinderschar einst im Gebäude. Seine Söhne betrieben darin einen Lebensmittelhandel und eine Drogerie. © privat

130 Jahre ist das Haus nun alt. Der Umstand, dass Gerüst und Plane es erst heute umgeben und nicht bereits vor 50 Jahren, zeigt, dass die Altvorderen sich auf solides Bauen verstanden. „Seit 1888 liegt das Dach drauf“, sagt Eigentümer Volker Drescher, „es wurde immer mal geflickt. Jetzt ist es an der Zeit, das Dach neu einzudecken. Historisch korrekt mit traditionellen Biberschwänzen.“ Und da man wegen des Dachs das Gebäude ohnehin einrüsten müsse, nutzt Drescher die Gunst der Stunde, auch die gesamte rot-gelbe Klinkerfassade reinigen zu lassen. „Das ist eine spezielle chemische Reinigung, die den Klinker nicht angreift“, erklärt der Löbauer, der selbst promovierter Chemiker ist. Am Ende strahle die Fassade wieder so wie zur Jahrhundertwende.

Das denkmalgeschützte Haus erzählt auch die Geschichte mehrerer Generationen einer Löbauer Familie. Viele Menschen in Löbau würden das Haus für einen Bestandteil der Alten Post halten, sagt Drescher. Tatsächlich war einst zwischen der Post und seinem Haus noch eine Lücke, die später mit einem Anbau der Post geschlossen wurde. Weil das ganze Ensemble eine ähnliche Gestaltung aufweist, sieht es aus wie eine Einheit.

„Alwin Sünder & Söhne“ steht über dem Eingang der jetzt von der Plane verdeckt ist. „Das war mein Urgroßvater. Der hatte zwölf Kinder“, erzählt Volker Drescher. Eines davon war sein Großvater Martin Sünder. Der betrieb vor gut 100 Jahren einen Lebensmittelladen in den Rathausarkaden. Mit seinem Bruder Arthur, einem Drogisten“ habe der dann das Haus erworben. „Das war 1934, aus einer Konkursmasse. Über dem Eingang haben sie dann ihren Vater verewigt.“ Der 2. Weltkrieg und 40 Jahre DDR konnten das Haus nicht zerstören, wohl aber die Eigentumsverhältnisse durcheinanderbringen. Der SED-Staat enteignete Volker Dreschers Großmutter als Erbin per Zwang. „1985 wollte meine Großmutter als Rentnerin in den Westen gehen. Bedingung dafür war, ihr Immobilieneigentum aufzugeben. Meine Großmutter musste dem Staat das Haus quasi schenken“, sagt Volker Drescher.

1991 bekam die Familie das Haus zurück. „Da waren wir 38 Erben“, erinnert sich Drescher. Das Haus war zumindest innen in einem desolaten Zustand. Aber er und sein Bruder waren entschlossen, das Familienerbe zu retten. „Einige Erben, die in Westdeutschland lebten, haben uns ihren Erbteil geschenkt“, sagt Drescher. Andere Erben mussten er und sein Bruder auszahlen. „Wir haben das Haus damals innen komplett saniert“, erzählt der 66-Jährige und fügt halb im Scherz an: „Dann war das Geld alle.“ Er will nicht über die Summe reden, die er nun für das 770 Quadratmeter große Dach und die Fassadenreinigung aufwenden muss, um das Haus denkmalgerecht zu erhalten. Aber er deutet an, dass es als Eigentümer schwer ist, in Löbau Geld mit der Vermietung eines Baudenkmals zu verdienen. Baumaßnahmen seien hier genauso teuer wie anderswo, das Wohnen allerdings nicht. Hohe Mieten, die immense Sanierungskosten berücksichtigen, ließen sich auf dem Wohnungsmarkt nicht durchsetzen. „Seit wir die Wohnungen in den 90er Jahren vermietet haben, haben wir nicht ein einziges Mal die Miete erhöht.“