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Neue Treuhand-Studie zeigt tiefen Ost-West-Riss

Die Ostbeauftragte der Bundesregierung will eine ehrliche Aufarbeitung der Privatisierung der DDR-Staatswirtschaft.

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© dpa

Von Peter Heimann

Berlin. Die Arbeit der Treuhandanstalt wird von den Ostdeutschen über 40 auch im Rückblick weitestgehend als „sehr negativ“ beurteilt. In Westdeutschland spielt das Thema dagegen keine „wesentliche Rolle“ mehr. Das ist ein Ergebnis einer bisher unveröffentlichten Studie der Ruhr-Universität Bochum. Im Jahr 2016 hatte die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), die Wissenschaftler beauftragt, die „Wahrnehmung und Bewertung der Arbeit der Treuhandanstalt“ zu untersuchen.

Die Wirtschaftsbehörde hatte im Sommer 1990 praktisch über Nacht die Verfügungsgewalt über 8 000 Betriebe mit rund vier Millionen Beschäftigten erhalten. Die sollten möglichst im Eiltempo in markt- und wettbewerbsfähige Unternehmen in Privatbesitz verwandelt werden, heißt es in der Studie, die der SZ vorliegt. Im Osten habe die Treuhand schon bald als „bestgehasste“ Institution gegolten, schreiben die Forscher. Demgegenüber verteidigten die damalige Bundesregierung sowie Treuhand-Manager ihre Arbeit als „alternativlosen“ Einsatz zur Beseitigung der ökonomischen „Altlasten“ des SED-Regimes und seiner maroden Planwirtschaft. Dies sei für die Ostdeutschen zwar durchaus schmerzhaft, aber notwendig und werde durch sozialpolitische Interventionen abgemildert.

In der Rückschau haben die Wissenschaftler eine ähnlich differenzierte Bewertung ausgemacht. Als dominantes Bild vor allem der älteren ostdeutschen Erlebnisgeneration wurde „die Vorstellung einer radikalen und unkontrollierten Abwicklung beziehungsweise Entwertung der DDR“ und ihrer Betriebe identifiziert. An die Stelle des zunächst die politische Debatte prägenden Rechts-Links-Gegensatzes sei schnell ein Ost-West-Gegensatz getreten. „Langfristig setzten sich vor allem in der ostdeutschen (Teil-)Gesellschaft ausnehmend negative Bezüge auf die Treuhandanstalt als Symbol einer `Übernahme` des Ostens durch den Westen fest, während die Organisation in der westdeutschen Wahrnehmung schon bald keine nennenswerte Rolle mehr spielte.“ Zeitzeugen verbinden die Treuhand-Arbeit oft mit „Abwicklung“, „Ausverkauf“ und „Betrug“.

Gleicke: „Die Studie legt überzeugend dar, warum wir eine offene Diskussion über die Treuhandanstalt brauchen. Ihre Geschichte ist keine Heldengeschichte aufopferungsvoller West-Manager, die mit der D-Mark im Wappen die Segnungen der sozialen Marktwirtschaft nach Ostdeutschland gebracht haben. Da sind Riesenfehler gemacht worden, da wurde auch der Markt bereinigt, da gab es auch Schweinereien. Indem man das sachlich feststellt, schmälert man nicht die Leistungen der vielen, die ihr Bestes gegeben haben. Es wird Zeit, die Archive so weit wie möglich zu öffnen.“