Merken

Neue Tittchen für die Orgel

Die porösen Ledersäckchen sind ausgetauscht. Das Prospekt ist eingebaut. Die Sanierung lässt sich das Kirchspiel viel kosten.

Teilen
Folgen
© Dietmar Thomas

Von Tina Soltysiak

Kriebstein/Grünlichtenberg. Matthias Sandig hat die Tittchen der Grünlichtenberger Orgel repariert. „In der Fachsprache heißen diese Ledersäckchen Pulpeten“, sagt der Orgelbauer. Sie sind aus weichem, geschmeidigen Leder gefertigt, meist vom Zicklein, und waren zum Großteil porös oder teilweise ganz gerissen. Die Pulpeten haben die Aufgabe, den Mechanikdurchgang von dem Überdruck führenden Windkasten in die Normaldruckumgebung zu ermöglichen. Davon gibt es etwa 300. „Weil die Windlade defekt war, gab es Heuler. So nennen wir Pfeifen, die klingen, obwohl sie es nicht sollen“, erklärt Sandig. Seit April ist er in der Orgel, die Christian Friedrich Göthel vor genau 150 Jahren erbaute, tätig. „Göthel fand in Grünlichtenberg den Luxus einer großen Kirche vor und konnte deshalb eine große Orgel bauen, in der viel Platz ist“, sagt Sandig. Auch für ihn als Orgelbauer sei dies ein Luxus. „Hier kann man jede Pfeife erreichen, um sie zu stimmen. Das ist nicht in jeder Orgel der Fall“, erklärt er. Und er kann im Stehen arbeiten. „In anderen Orgeln müssen wir regelrecht kriechen oder in der Hocke arbeiten.“ Bis zu zwölf Stunden täglich ist er in Grünlichtenberg am Werk. Denn der Zeitplan sei straff. Bis Pfingsten wollen er und sein Kollege Andreas Lindner fertig sein.

Die Orgel wird generalüberholt. Lindner hat in den Wochen vor Ostern in der Werkstatt der Firma Rühle in Moritzburg den Prospekt gebaut. Aus bis zu 3 000 kleinen und großen Pfeifen besteht die Göthel-Orgel. Die ersten sind mittlerweile eingebaut. „Der Prospekt glänzt jetzt wieder schön“, sagt Matthias Sandig. Das meint auch Michael Kreskowsky, Vorsitzender der Kirchgemeindevertretung Grünlichtenberg. Zugleich ist er im Vorstand des evangelisch-lutherischen Kirchspiels Waldheim-Geringswalde. Das hatte die Restaurierung in die Wege geleitet. „Sie kostet 90 000 Euro“, sagt er. Finanziert werde diese mit Fördermitteln der Kirche, der unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises, der deutschen Stiftung Orgelklang und mit Eigenmitteln. „Um diesen Anteil zu decken, benötigen wir noch Spenden“, sagt er.

120 Kilo Zinn für Kriegszwecke

Denn das letzte Großprojekt der Kirchgemeinde ist noch gar nicht so lang abgeschlossen. „2014 wurde unsere Kirche 150 Jahre alt. Wir haben unser Ziel erreicht, sie im Innenraum bis zu diesem Jubiläum fertigzustellen. Nun haben wir uns die Restaurierung der Orgel als neues Ziel gesetzt. Erfahrungsgemäß ist es immer eine gute Möglichkeit, Geld einzuwerben und einen gewissen Druck aufzubauen, wenn man ein konkretes Projekt benennt“, so Michael Kreskowsky. Das gelinge gut. „Mich freut besonders, dass Menschen spenden, die keine Kirchenmitglieder sind.“

Drei Orgelbau-Firmen hätten sich auf die Ausschreibung beworben. Die Firma Rühle habe das beste Angebot gemacht. „Am 25. Oktober 1867 wurde die Orgel abgenommen und erklang seitdem regelmäßig. Doch vor genau 100 Jahren mussten die alten historischen Zinnorgelpfeifen des Prospektes zu Kriegszwecken abgegeben werden. Es waren 120 Kilogramm“, so Michael Kreskowsky.

Matthias Sandig und sein Kollege Andreas Lindner müssen vor allem beim Transport der Pfeifen größte Vorsicht walten lassen. Es dürfe auf keinen Fall passieren, dass sie irgendwo anecken und die Pfeifen beschädigen. Das würde das gesamte Klangbild verändern. Das Herzstück der Orgel sind die Windladen. Auf diesen stehen die Pfeifen und werden mit Wind versorgt. „Dort wird geregelt, welcher Ton erklingt“, erklärt Sandig. Das Intonieren der Pfeifen sei eine große Kunst. Erst wenn die Luft genau so fließt, wie sie soll, kann das Instrument seinen ganzen Klang entfalten. Nach dem Intonieren wird die Orgel gestimmt. Bis dahin ist für Sandig und seinen Kollegen aber noch viel zu tun. „Am Montag werden die großen Orgelpfeifen eingebaut. Die größte ist etwa drei Meter hoch“, sagt er.

Vortrag über die Göthel-Orgel: Freitag, 5. Mai, ab 19 Uhr in der Grünlichtenberger Kirche. Referent: Michael Kreskowsky, Dauer: etwa 90 Minuten.