Merken

Neue Pläne für Muslime in Görlitz

Ein neuer Verein will ein Kulturzentrum aufbauen. Mit der früheren „Moschee“ der SBS hat das nichts zu tun.

Teilen
Folgen
© kairospress

Von Frank Seibel

Ein Jahr ist es her, da war für einige Wochen jeder Freitag etwas Besonderes. Immer zur Mittagsstunde wurde es lebendig im Eckhaus an der Spremberger Straße 8 a. Aus den Wohnquartieren der Innenstadt kamen Männer und Jungs herbei und verschwanden in dem früheren Ladengeschäft. Das war neu und wirkte geheimnisvoll, aber geheim war das keineswegs. An diesem Ort trafen sich für einige Wochen Muslime aus der Görlitzer Region, um miteinander zu beten, zu lernen oder auch nur zu reden und die Zeit zu verbringen. Und Freitagmittag gab es das Freitagsgebet, zu dem bis zu 100 Männer kamen – für Journalisten öffneten die Muslime ihre Türen, um der Öffentlichkeit zu zeigen: alles friedlich hier, alles normal, nichts radikal.

Doch seit Juni vorigen Jahres ist wieder Ruhe im Eckhaus. Die Räume waren für solch große Versammlungen nicht zugelassen; die Bauaufsicht der Stadt hat die Nutzung untersagt. Lange schien es, als sei die Wiedereröffnung der „Moschee“ nur eine Frage der Zeit. Doch der Betreiber, die gemeinnützige Firma „Sächsische Begegnungsstätten“ (SBS) hat die Pläne für ein islamisches Begegnungszentrum fallen gelassen. Das bestätigte SBS-Geschäftsführer Saad Elgazar auf Nachfrage. Auch die Pläne für eine Begegnungsstätte in Bautzen habe man aufgegeben, sagte Elgazar.

Dennoch werden Muslime in Görlitz bald einen neuen Anlaufpunkt finden. Deutsche und Zuwanderer haben Ende November vorigen Jahres einen „Görlitzer interkulturellen Verein“ gegründet. Unter dem Namen Assalam plant der Verein in der Stadt ein Begegnungszentrum nicht nur, aber vor allem für Muslime. Anders als vor einem Jahr in der Spremberger Straße sind in diesem Fall die zuständigen Behörden frühzeitig eingebunden worden. Vor allem geht es bei solchen öffentlichen Nutzungen um Sicherheitsfragen. Aber auch Hygiene und Schutz der Nachbarn vor Lärm und anderen Belästigungen spielt eine Rolle.

In der Spremberger Straße war das Ladengeschäft für den normalen Verkaufsbetrieb zugelassen. Versammlungen von mehreren Dutzend Menschen waren nicht vorgesehen und nicht erlaubt, als die SBS die Räume anmietete. Es gab keinen zweiten Fluchtweg, keine ausreichende Zahl von Toiletten.

Im Fall der nun geplanten Begegnungsstätte hat ein Görlitzer Architekt den neuen Verein unterstützt. Mit Erfolg. In den nächsten Tagen werde die Genehmigung für das Begegnungszentrum erteilt, sagte der Pressesprecher der Stadt, Wulf Stibenz, auf Nachfrage. Bevor der Assalam-Verein den Betrieb aufnehmen kann, werden allerdings noch die Nachbarn des Innenstadt-Grundstückes informiert, auf dem das Zentrum entstehen soll.

Zu den Initiatoren des neuen Vereins gehört der ehemalige Görlitzer Kulturamtsleiter Stefan Waldau, der sich schon vor einem Jahr mit einem Gastbeitrag in der Sächsischen Zeitung zur damaligen Diskussion um eine muslimische Begegnungsstätte in Görlitz zu Wort gemeldet hatte. Er plädierte damals dafür, den neu ins Land gekommenen Menschen eine Chance zu geben, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren und ein würdiges Leben zu führen. Dazu gehöre es auch, die eigene Identität nicht zu verleugnen und gemäß den religiösen Überzeugungen zu leben. Das betont er auch jetzt noch einmal. Weil es aber kaum einen Begriff gibt, der die Gemüter so stark und schnell erhitzt und politische Debatten ausufern lässt, verhält sich der neue Verein noch sehr zurückhaltend. Eines ist dem Mit-Initiator Stefan Waldau wichtig: Mit der früheren Begegnungsstätte in der Spremberger Straße und vor allem mit ihren Betreibern von der SBS habe der neue interkulturelle Verein in Görlitz nichts zu tun.

Diese Abgrenzung ist wichtig. Denn die SBS ist umstritten. Das Landesamt für Verfassungsschutz sieht dasUnternehmen und seinen Chef Elgazar in Verbindung zu den radikalislamischen Muslimbrüdern. Diese Organisation ist nicht verboten, wird aber vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft. Der Vorwurf der Behörde lautet: Die Muslimbrüder versuchen, Flüchtlinge an sich zu binden und zu radikalisieren.

Vor allem deshalb war die „Moschee“ der SBS vor einem Jahr in Görlitz sehr umstritten. In Bautzen schlugen die Wellen vor wenigen Wochen hoch, der Bautzener Oberbürgermeister warnte öffentlich vor Elgazar und seiner SBS. Der Geschäftsführer beteuert offiziell, dass es ihm nur darum gehe, dass Muslime ihrer Pflicht zum freitäglichen Gebet nachkommen können. Dass es sowohl in Bautzen als auch bald in Görlitz andere Angebote für Muslime geben soll, nennt Elgazar als Grund dafür, dass er sich mit der SBS aus diesen Städten zurückziehe und die bisherigen Pläne nicht weiter verfolgt. Der Görlitzer Rathaussprecher Wulf Stibenz bestätigte, dass Elgazar den Bauantrag für die Spremberger Straße zunächst mündlich und dann auch schriftlich zurückgezogen habe.

Der neue Görlitzer Verein Assalam will sich noch einige Wochen Zeit nehmen, um in Ruhe den Start seines interkulturellen Begegnungszentrums vorzubereiten. Grundsätzlich Scheu vor der Öffentlichkeit habe der Verein nicht, betont sein Mentor Stefan Waldau. Doch nun gehe es darum, in Ruhe den Betrieb vorzubereiten, nachdem die baurechtlichen Fragen geklärt sind.