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Neue Helfer für Flüchtlinge

Auch bei sinkenden Zahlen bleibt es eine Herausforderung, fremde Menschen zu integrieren.

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© André Schulze

Von Frank Seibel

Görlitz. Es ist ruhiger geworden. Keine aufgeregten weltanschaulichen Debatten mehr in Internetforen. Keine öffentlichen Streitereien mit Polizeieinsatz. Seit zwei Jahren leben Hunderte Flüchtlinge aus Krisen-, Kriegs- und Armutsgebieten in Görlitz, und es hat sich eine Normalität im Alltag der Stadt eingestellt. Dennoch bleibt das Zusammenleben von Eingesessenen und Zugewanderten eine Herausforderung.

Ob das Willkommensbündnis noch gebraucht wird? Natürlich, sagt Romy Wiesner, die in der Stadtverwaltung diesen Verbund aus Vereinen, Institutionen und Privatleuten koordiniert. Sie ist froh, dass sich dieses Netzwerk seit zwei Jahren fest etabliert hat. Dass das Mit- und Nebeneinander von Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen in Görlitz anscheinend ruhig verläuft, hat nach ihrer Einschätzung nicht zuletzt mit der Arbeit des Willkommensbündnisses zu tun. Oft geht es dabei um ganz konkrete Hilfe im Alltag: Anträge ausfüllen, Menschen beim Gang zu Rathaus, Landratsamt, Krankenkasse, Schule, Jobcenter. Die meisten Flüchtlinge seien dabei, möglichst eigenständig ihren Alltag zu organisieren, nachdem sie erste Sprachkenntnisse erworben haben. Doch immer wieder sei Unterstützung sinnvoll.

Doch so gut die ehrenamtliche Arbeit im Willkommensbündnis ist, fehlt es doch an einem professionellen Integrationskonzept, bemängelt Romy Wiesner. Weil vor allem der Landkreis für die Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden verantwortlich ist, muss die Kreisverwaltung auch zuerst ein solches Konzept vorlegen. Davon macht der Freistaat Sachsen wiederum seine finanzielle Unterstützung abhängig. Erst im zweiten Schritt, sagt Romy Wiesner, sollte die Stadt ein eigenes Konzept entwickeln.

Doch der Landkreis hat bislang nicht geliefert. Zunächst sollte ein Integrationskonzept im Sommer vorliegen. Doch der erste Entwurf musste überarbeitet werden. Denn Landrat Bernd Lange (CDU) betont, dass dieses Papier sich nicht nur mit den Flüchtlingen befassen soll, sondern auch mit anderen Zuwanderern. Die derzeit größte Gruppe kommt aus Polen.

Allerdings ist auch die Kreistagssitzung im Dezember vorübergegangen, ohne dass den Kreisräten ein Integrationskonzept vorgelegt wurde. Die Pressestelle des Landratsamtes nennt nun den März als Termin. Dann sollen die Ausschüsse des Kreistages informiert werden. Ebenfalls zum Ende des ersten Quartals will der Landkreis zehn sogenannte Integrations-Koordinatoren einstellen. Das Geld dafür kommt vom Freistaat, mit einem Bescheid rechnet der Landkreis im Februar. Danach werden die Stellen ausgeschrieben.

Wie wichtig solche professionellen Integrationshelfer sind, weiß nicht nur Romy Wiesner vom Willkommensbündnis der Stadt Görlitz. Martina Gebauer betreut fürs Deutsche Rote Kreuz (DRK) derzeit 45 von insgesamt 151 Asylbewerber-Familien, die in Görlitz in Mietwohnungen untergebracht sind. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Bildung der Kinder: Welche Schule sollen sie besuchen, welche Fächer wählen, welchen Abschluss anstreben? Während es ganz zu Beginn der Zuwanderungsphase vor allem darum ging, ordentliche Wohnungen und die Grundausstattung sowie die allerersten Behördengänge für die Flüchtlinge zu organisieren, geht es nun um die kompliziertere Frage: Wie können die Menschen ihr Leben organisieren?

Ein Problem dabei: Sobald die Asylbewerber einen positiven Bescheid erhalten und bleiben können, sind offiziell nicht mehr die Betreuungsorganisationen wie DRK und ASB zuständig. Genau dann aber müssen innerhalb weniger Wochen viele wichtige Dinge geregelt werden, vor allem die Anmeldung im Jobcenter. Hierbei sowie bei der Suche nach einer neuen Wohnung werden künftig die Integrations-Koordinatoren des Landkreises helfen.

Auch beim Thema Nachbarschaft hoffen Helfer auf Verstärkung. Zwei Themen, die von Hausverwaltern als kritisch benannt werden, sind Müll und Lärm. „Die Mülltrennung klappt oft überhaupt nicht, und manchmal fliegt auch Müll einfach aus dem Fenster“, sagt ein Verwalter. Und dass Menschen aus arabischen Ländern sehr kommunikativ sind, und das auch noch zu später Stunde, werde auch des öfteren von Nachbarn beklagt. Beim DRK relativiert man dies. Ruhestörung gebe es von deutschen Mietern, und auch bei der Mülltrennung seien deutsche Mieter nicht immer vorbildlich, sagt Martina Gebauer.