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Neue Häuser statt kleinem Wald?

Wilsdruff will 19 Hektar Grün zu Bauland machen. Anwohner protestieren, und auch im Landratsamt herrscht Skepsis.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse

Wilsdruff. Sie haben ein Plakat mitgebracht: „Rettet unseren Wald“ steht darauf geschrieben. Der Wald, den sie meinen, erstreckt sich hinter ihnen zwischen dem Birkenhainer Weg und dem Wohngebiet An der Baumschule/Am Wasserhäuschen. Es ist eine Ansammlung verschiedener Baumarten, dicht in Reihe gepflanzt und das Überbleibsel einer Baumschule, die vor Jahren aufhörte zu existieren. Aber es geht den Männern und Frauen nicht nur um Nadelbäume, Laubhölzer und Naturschutz. Es geht um mehr: die Frage, ob, wo und wie sehr Wilsdruff noch expandieren möchte.

Verhandelt wird dies derzeit im Entwurf des neuen Flächennutzungsplanes. In diesem legt eine Kommune fest, wie Areale und Grundstücke im Stadtgebiet zukünftig genutzt werden können. Der Entwurf lag kurz vor Weihnachten aus und sorgt nun am westlichen Stadtrand von Wilsdruff für Aufregung. Hier sollen insgesamt 19 Hektar Wiesen und Baumschulgelände zur Wohnbaufläche erklärt werden. „Nicht mit uns“, sagen Hans-Peter Bollmann sowie Wolfgang und Matthias Walter.

Sie wohnen dies- und jenseits der umstrittenen 19 Hektar und wissen viele Wilsdruffer hinter sich. Bei einer Unterschriftensammlung signierten 120 direkte Anwohner einen Einwand gegen die Baupläne. In der Stadt seien bestimmt noch mehr Menschen ihrer Meinung, schätzen sie. „Wir brauchen den Wald als grüne Lunge, als Wasserspeicher, als Schallschutz gegen den Autobahnlärm und die zukünftige Umgehungsstraße. Und natürlich auch als Erholungsgebiet“, zählt Hans-Peter Bollmann auf. Die Anwohner um ihn herum – 23 Männer, Frauen und Kinder stehen auf der Straße An der Baumschule – nicken.

Es gehe ihnen nicht darum, anderen ihren Hausbau-Traum zu verwehren, sagen sie. „Aber hier ist ungeplant eine wunderbare Grünzone entstanden, viele Wildtiere leben darin. Warum soll die im ohnehin waldarmen Wilsdruff versiegelt werden?“, fragt eine Anwohnerin in die Runde.

Verkraftet Wilsdruff noch mehr Einwohner?

19 Hektar, das sind 190 000 Quadratmeter potenzielles Bauland. Rechnet man davon die üblichen 20 Prozent für Straßen, Gehwege, Grünflächen, Parkplätze und Spielflächen heraus, blieben etwa 152 000 Quadratmeter Bauland übrig. Bei einer durchschnittlichen Grundstücksgröße von 500 Quadratmetern geht es also um gut 300 neue Einfamilienhäuser. „Das sind locker 1 000 Einwohner mehr“, schätzt Wolfgang Walter. Doch Wilsdruffs Schulen, Kitas, Ärzte seien heute schon an der Kapazitätsgrenze, der Verkehr habe zugenommen. „Kann die Infrastruktur der Stadt wesentlich mehr Einwohner überhaupt noch verkraften?“, fragen sich die Leute vom Birkenhainer Weg und dem Wohngebiet Baumschule/Wasserhäuschen.

Im Wilsdruffer Rathaus hat man die Bedenken längst registriert. Noch sei nichts entschieden, das Ganze lediglich ein Entwurf und stehe somit zur Diskussion, sagte Bürgermeister Ralf Rother (CDU). „Es hat viele Einwände, Bedenken und Hinweise gegeben, die jetzt bearbeitet werden.“

Grundsätzlich aber brauche man neue Wohnbauflächen in Wilsdruff. Rother: „Lückenschließungen sind in den letzten Jahren nahezu vollständig erfolgt. Unsere verfügbaren Baugebiete sind ebenso belegt, sodass wir derzeit die immense Nachfrage überhaupt nicht ansatzweise decken können.“ Doch auch für die Zukunft rechnet man im Rathaus mit großer Nachfrage – wegen der steigenden Zahl an Arbeitsplätzen in der Region. Rother: „Es steigt auch das Interesse an kurzen Arbeitswegen.“ Insgesamt hat die Stadt einen Bedarf von 56 Hektar Wohnbaufläche bis zum Jahr 2030 errechnet.

Im Landratsamt ist man anderer Meinung. Bereits im August 2015 schrieb die Behörde, dass eine Bedarfsermittlung von 30 Hektar nicht nachvollzogen werden kann und überdacht werden sollte. Und ganz konkret zu dem alten Baumschulgelände heißt es: „Seitens der Stadt sollte geprüft werden, andere Wohnbauflächen vorzusehen und die Waldflächen zu erhalten. Wichtig ist die Lärmschutzfunktion für die Stadtbewohner.“ Zudem sei der neue Wald ein Frischluftentstehungsgebiet. Und: „Bereits jetzt hat sich durch den Wechsel von Wald, Wiesen, Weiden und Äckern eine reizvolle Landschaft entwickelt.“