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Neue Chefin für Freitals Berufsschüler

Seit gut 100 Tagen ist Ina Driesel im Amt. Sie will, dass sich ihre Schüler wohlfühlen. Einen Kuschelkurs wird es aber nicht geben.

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© Andreas Weihs

Von Annett Heyse

Freital. Es ist kurz nach 14 Uhr. Einige junge Männer stehen noch an der Schulhaustür und schwatzen. Ansonsten ist es ruhig geworden im Haus. Der Arbeitstag ist für Ina Driesel aber noch lange nicht vorüber. Gepflegte 40-Stunden-Woche? „Kenne ich gar nicht mehr“, sagt die neue Leiterin des Freitaler Berufsschulzentrums und gießt sich erst mal einen Kaffee ein.

Ina Driesel übernahm mit Schuljahresbeginn die Leitung, nun sind gut 100 Tage herum. Und sie ist begeistert von der neuen Aufgabe. „Ich wollte immer eine Berufsschule leiten und habe nicht gezögert, als ich hörte, dass für Freital jemand gesucht wird.“ Der Empfang und die Einarbeitung seien toll gewesen. „Die Lehrer sind super, die Schüler sind super, das Haus ist super“, schwärmt sie.

Vorher war die Informatik- und Mathematiklehrerin fünf Jahre am Berufsschulzentrum in Meißen-Radebeul tätig und konnte dort als Vize-Chefin und zeitweise als amtierende Schulleiterin bereits genügend Erfahrungen sammeln. In Freital mit seinen Außenstellen in Dippoldiswalde und Glashütte ist sie nun verantwortlich für 1 500 Schüler und 91 Lehrer.

Und dabei geht es nicht nur ums Stundenpläneschreiben. Ein Berufsschulzentrum ist wie ein Unternehmen und Ina Driesel die oberste Managerin. Die 49-Jährige ist zuständig für die Arbeitsorganisation, den Schulalltag, den Lehrereinsatz, das Vorbereiten von Projekttagen, Exkursionen, Dienstreisen und Fortbildungen in den verschiedenen Schularten. Dann müssen noch der Haushalt verwaltet und die Gebäude in Schuss gehalten werden. Ob Reinigung oder Reparaturen – so gut wie alles läuft über Driesels Schreibtisch.

Andere Atmosphäre

Von hier aus hat sie auch den direkten Blick auf „das größte Ärgernis“, wie sie selbst sagt. Das Dach des Hauses in Freital, ein Neubau von 1996/97, ist kaputt. Jahrelang ist Feuchtigkeit in die Holzkonstruktion eingedrungen, nun muss saniert werden. Gerüste stehen, Arbeiter sind auf dem Dach unterwegs. Das stört natürlich den Schulbetrieb, zumal die Arbeiten in Abschnitten erledigt und sich noch über lange Zeit hinziehen werden. Kürzlich, als es mal nachts richtig gegossen hat, stand am nächsten Tag das Foyer unter Wasser. „Da mussten wir uns kümmern“, erzählt Ina Driesel.

Umso froher ist sie, dass es sonst gut läuft. Von ihren Schülern schwärmt sie. Als Schulleiterin habe sie leider nicht viel Zeit, um selbst Unterricht zu geben. „Fünf Stunden Mathe die Woche – mehr schaffe ich nicht.“ Aber sie beobachtet sehr genau, wie sich die Jugendlichen entwickeln. Ein Berufsschulzentrum, sagt sie, sei etwas ganz anderes als Oberschule oder Gymnasium. „Das merkt man schon, wenn man hier reinkommt. Es herrscht statt Krawall ein ruhiges Klima, auch wenn das Haus voll ist.“ Nach Freital, Dippoldiswalde und Glashütte kommen die Auszubildenden gewerblich-technischer Berufe, aus Wirtschaft und Verwaltung, die Uhrmacher sowie all die Lehrlinge, die etwas mit Farbe und Raumgestaltung lernen. Dann werden in Freital Umschüler unterrichtet und Fortbildungskurse für Facharbeiter angeboten. Außerdem lernen zukünftige Absolventen des beruflichen Gymnasiums und der Fachoberschule im Haus.

Neuanfang für schwarze Schafe

Gleichzeitig sind viele junge Schüler hier, die ein Berufsvorbereitungsjahr absolvieren. „Für die ist die Berufsschule oft ein Neuanfang.“ Im Berufsvorbereitungsjahr stecken diejenigen, die noch keinen Hauptschulabschluss oder keine Lehrstelle bekommen haben. Und auch viele, die gar nicht wissen, was sie beruflich im Leben machen wollen. Oft sind darunter Schüler, die in der Oberschule irgendwie so mitgekommen sind, mitunter fühlen sie sich als schwarze Schafe. „Denen sagte ich immer: ,Es geht bei uns bei Null los, wir kennen euch nicht. Zeigt euch von eurer Schokoladenseite und nutzt diese Chance.‘“

Irgendwann ist auch für die Leiterin einer Berufsschule mal Feierabend. Den verbringt Ina Driesel, die mit Mann und Sohn in Dresden lebt, am liebsten im Garten des Einfamilienhauses. Das sei die beste Entspannung, findet sie. Und im Winter? „Dann lese ich, ich bin nämlich eine totale Leseratte.“ Am liebsten greift sie zu Krimis.

Für ihre Schüler und ihre Kollegen wünscht sich die neue Schulleiterin aber keine nervenkitzeligen Tage. Ihr Ziel sei es, jederzeit für ein schönes Umfeld zu sorgen, in dem sich alle wohlfühlen.

Sie legt großen Wert auf ein Lern- und Arbeitsklima, das geprägt ist von Vertrauen, gegenseitiger Wertschätzung, Hilfsbereitschaft und Respekt. Die Erkenntnis, dass Menschen ihre Leistungsfähigkeit am besten entfalten können, wenn sie sich in ihrer Umgebung wohlfühlen – und damit ist keineswegs ein Kuschelkurs gemeint – , ist nicht neu, aber auch nicht einfach in umzusetzen. „Wir müssen den Schülern und Azubis einen klaren Rahmen geben, in dem sie sich entfalten und weiterentwickeln können“.