Merken

„Nazischweine“ und „Volksverräter“

Etwa 80 Leute demonstrieren, um den Jahrestag der Krawalle am Leonardo zu feiern. Das bleibt nicht unwidersprochen.

Teilen
Folgen
© Karl-Ludwig Oberthür

Von Andrea Schawe

Freital. Dann also doch Protest in Hör- und Sichtweite: Als die Demonstration der Asylgegner an der Ecke Schachtstraße/Dresdner Straße ankommt, werden die Teilnehmer schon begrüßt. „Nationalismus raus aus den Köpfen“, schallt es immer wieder von den Gegendemonstranten. Und: „Nazischweine!“ Der ehemalige Leipziger NPD-Funktionär Alexander Kurth, der am Mikrofon des „Wir sind ein Volk“-Wagens von Thügida steht, stimmt den Chor der Asylgegner an: „Volksverräter, Volksverräter!“ Die Leute sollten doch lieber für ein Freital der Freitaler auf die Straße gehen. Dann hört man die Internationale aus den Lautsprechern. Kurth – mehrmals wegen Gewaltdelikten verurteilt und inzwischen sächsischer Landeschef der rechtsextremen Partei „Die Rechte“ – ist einer der Redner, die auf der Demonstration am Sonnabend sprechen. Die selbst ernannten Freitaler „Patrioten“ wollen „Ein Jahr danach“ feiern – im Sommer 2015 belagerten sie tagelang das Flüchtlingsheim im ehemaligen Leonardo-Hotel, Böller flogen, Hitlergrüße wurden gezeigt, Pro-Asyl-Demonstranten verfolgt und angegriffen. Genau ein Jahr später planen sie, sich wieder am Leonardo treffen, doch daraus wird nichts. Das Landratsamt hat Demonstrationen vor dem Heim untersagt, die Polizei ist am Sonnabend mit mehreren Einsatzkräften am Langen Rain vor Ort. Die Asylgegner müssen auf die Schachtstraße am Toom-Baumarkt ausweichen. „Das, was wir vor einem Jahr erreichen wollten, haben wir erreicht“, sagt Jens Lorek zu etwa 80 Teilnehmern, einige haben die Reichsflagge dabei. Der Dresdner Rechtsanwalt hat die Demonstration angemeldet und war schon vor einem Jahr Versammlungsleiter. „Das Heim wurde geräumt. Wir haben gesiegt!“ Applaus.

Das Landratsamt hatte im Mai beschlossen, die Asylunterkunft zu schließen – wegen freier Kapazitäten in anderen Unterkünften, Mängel beim Brandschutz und Streitigkeiten mit dem Betreiber. „Es ist nicht das Verdienst der Rassisten, dass das Leonardo leergezogen wird“, sagt Juliane Nagel auf dem Neumarkt. Es sei eine Frage von Verträgen und Belegungen. Die Linken-Politikerin hat eine Gegendemonstration unter dem Motto „Solidarität statt Ausgrenzung“ angemeldet. „Wir wollen den Rassisten widersprechen.“ Unterstützt wird sie von Sachsens Grünen und der „Organisation für Weltoffenheit und Toleranz“. Ein Teil der etwa 40 Teilnehmer zieht später spontan auf die Schachtstraße, um in Hör- und Sichtweite gegen die fremdenfeindliche Demonstration zu protestieren. Die Polizei stellt sich dazwischen.

Im Gegensatz zum vergangenen Jahr sind die Kontakte der Freitaler in die rechtsextreme Szene am Sonnabend weit offensichtlicher. Bevor die Asylgegner über die Dresdner Straße zum Platz des Friedens laufen, hält Alexander Kurth eine Rede. Er fordert – in einer Intonation, die stark an den Nationalsozialismus erinnert – die Ausreise von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Stanislaw Tillich nach Israel oder die USA. „Deutschland den Deutschen“, schallt es über den Toom-Parkplatz. „Bringt eure Freunde und Bekannten mit zu patriotischen und volkstreuen Veranstaltungen.“ Dann stellt er klar: „Das ist keine Demonstration gegen Ausländer, sondern gegen Masseinwanderung und eine inländerfeindliche Politik.“

Auch David Köckert von Thügida – dem thüringischen Pegida-Ableger – spricht bei der Kundgebung. Er ist im Februar als Organisationsleiter im NPD-Landesverband Thüringen zurückgetreten, aber immer noch Parteimitglied. Köckert sitzt für die NPD im Greizer Stadtrat. In Freital schreit er Triaden gegen „die Schweinepresse“, die Regierung und die Polizei ins Mikrofon. „Wir werden nicht nur reden, wir werden handeln“, schmettert er. Und: „Die Schwarzen warten auf gepackten Koffern, bis die See ruhiger wird. Sie werden kommen!“

Eric Graziani Grünwald alias Sebastiano Graziani beginnt erst einmal auf Italienisch. Dann fordert der aus Südtirol stammende Berliner die Inhaftierung von Angela Merkel. Sie soll vor ein Tribunal gestellt werden, „für den Verrat am eigenen Volk“. Auf dem Platz des Friedens angekommen, lobt Ignaz Bearth aus der Schweiz den Austritt der Briten aus der EU und den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, grüßt die rechtsextreme Identitäre Bewegung, fordert geschlossene Grenzen und den Zusammenhalt der patriotischen Bewegungen. Zum Abschluss wird das „Lied der Deutschen“ in voller Länge angestimmt. Auf der anderen Seite der Brücke hat die Gegendemonstration Halt gemacht, ihre Reden hört man auch auf dem Platz des Friedens. Die Polizei trennt beide Lager. Es bleibt friedlich.