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„Natürlich habe ich ein bisschen Angst“

Ex-Profi Sven Dörendahl will die VC-Volleyballer in Dresden als Sportdirektor zweitligatauglich machen – doch da gibt es ein Problem.

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© Robert Michael

Von Alexander Hiller

Er ist das letzte bekannte Gesicht aus einem erstklassigen, ehrgeizigen, aber kurzen Kapitel der Dresdner Volleyball-Geschichte. Bei den Männern. Als Spieler, später als Trainer und Sportdirektor, als Mann für alle Fälle durchlebte Sven Dörendahl den Erstliga-Aufstieg des VC Dresden, den letztlich existenziellen Zwist zwischen Stammverein und Spielbetriebs GmbH, den folgenden Lizenzentzug und den Zwangsabstieg in die 3. Liga. Dort ist Dresdens höchstklassig spielende Männer-Volleyball-Mannschaft nach einem Jahr Zweitliga-Zugehörigkeit wieder angekommen – und Sven Dörendahl noch immer da. Der 44-Jährige will den Drittligisten als ehrenamtlicher Sportdirektor wieder fit für höhere Ziele machen. Wie, verrät der gebürtige Berliner im Gespräch mit der SZ.

Sven Dörendahl, der VC Dresden startet am Sonnabend von Platz sechs in die Rückrunde. Was ist noch möglich?

Ich denke, der direkte Wiederaufstieg ist nicht möglich, der war aber auch nie unser Ziel. Das ist immer noch dasselbe wie zu Saisonbeginn. Sprich: Die Entwicklung und Heranführung der jungen Leute – wir haben ja einen überdurchschnittlich großen Anteil junger Spieler im Team, fast alles Dresdner. Die sollen fit gemacht werden für die dritte Liga. Der Sprung für die Talente ist richtig groß, die spielten in der vorigen Saison noch nicht einmal in der Regionalliga. Diese Entwicklung gestaltet sich im Moment recht erfolgreich.

Dann wäre die nächste logische Überlegung, wie diese Talente in Dresden zu halten sind ...

Vor dem Problem stehen wir jedes Jahr, auch nach der vergangenen Saison. Deswegen haben wir ja leider ein paar gute Leute verloren. Man muss sagen, dass wir derzeit die nötigen Verbindungen zur Wirtschaft nicht haben. Das gestaltet sich als ziemlich schwierig, die Spieler dadurch zu binden. Womit man sie halten kann, ist mit der Studentenstadt Dresden, mit den Unis hier. Darauf haben wir allerdings gar keinen Einfluss, ob die Jungs hier den richtigen Studienplatz finden. Bei einem Spieler, Paul Schneider, schafften wir es, ihn hier über eine Ausbildung zu halten. Das ist über private Verbindungen entstanden. Die Situation im Sponsoring ist nach wie vor kritisch. Natürlich wollen wir das ausbauen. Aber da müssen wir uns für die Zukunft überlegen, wie. Da wir ansonsten jedes Jahr an dem gleichen Punkt stehen.

Sie befürchten die nächsten Abgänge?

Natürlich habe ich ein bisschen Angst, dass unsere Besten ein Angebot von einem anderen, höherklassigen Verein annehmen. Mal schauen, wie sich das entwickelt. Wir haben im Vorstand nur Ehrenamtler, das ist neben dem Job schwierig umzusetzen.

Der Verein könnte sich von vornherein darauf einlassen, sich ausschließlich als Talentezulieferer zu verstehen.

Richtig, wir könnten es uns leicht machen und sagen: Wir bilden nur Spieler aus und verabschieden sie mit 18 Jahren in die Welt. Das kann es aber nicht sein. Gerade im Jugendleistungszentrum bedeutet das einen riesigen Aufwand – sowohl finanziell als auch von der Manpower. Wir sind sehr, sehr glücklich, dass auch die Eltern da so sehr engagiert sind. Ohne die Eltern der Spieler könnten wir den Aufwand nie im Leben stemmen. Wir wollen hier Leistungssportler ausbilden, das kostet Zeit und Arbeit. Natürlich möchte man als Verein auch etwas davon haben.

Wie würden Sie Ihre Aufgabe als Sportdirektor charakterisieren – sind Sie Mädchen für alles?

(lacht) Letzteres. Sportdirektor ist eine schöne Bezeichnung. Mädchen für alles trifft es aber am besten. Ich kümmere mich komplett um den sportlichen Bereich aller Mannschaften, also auch um die Bindung zum Jugendleistungszentrum. Dort haben wir einen Verantwortlichen – unsere einzige hauptamtliche Stelle, die hauptsächlich durch den Verein finanziert wird. Ich bin natürlich viel mit der ersten Männermannschaft unterwegs – unter anderem auch als Busfahrer. Ich versuche, aus allem ein großes Ganzes zu machen. Weil das Ziel eben nicht nur die Ausbildung der Talente ist.

Es ist jetzt fast drei Jahre her, dass das Erstligaprojekt VC Dresden gescheitert ist. Ist dadurch in allen Bereichen zu viel Porzellan zerschlagen worden?

Klar, da muss man gar nicht drumherum reden. Das war keine angenehme Sache, ist auch lange her. Ich rede eigentlich nicht mehr allzu viel drüber. Die Nachwirkungen spüren wir aber immer noch, es ist für uns weiterhin immens schwer, Sponsoren zu finden. Da erinnern sich immer noch viele an die schwere Zeit. Das ist ein bisschen schade, weil wir sehr viel Wert auf die Arbeit mit Dresdner Jungs legen. Volleyball ist in Dresden eine Hausnummer, leider hört man nur von den Mädels. Unsere Erfolge werden für meinen Geschmack etwas zu wenig gewürdigt, das ist aber auch eine Folge aus dem Theater vor drei Jahren.

Die U 14 des VC wurde 2017 deutscher Meister. Wie wollen Sie diesen Erfolg konservieren, was ist Ihre Vision?

Der Klub war im Jugendbereich auch schon erfolgreicher als jetzt. Mit den gegebenen Mitteln ist das immer noch sehr gut im Bundesdurchschnitt. Wir haben aber Ambitionen, daraus mehr zu machen. Wir müssen unseren Jugendbereich breiter aufstellen, uns dafür trainertechnisch entwickeln. Ziel des Ganzen ist es, junge Leute in die erste Mannschaft zu bringen und irgendwann mal wieder in der 2. Bundesliga zu spielen. Das ist das mittelfristige Ziel. Dafür wollen und müssen wir im Nachwuchs unsere Leistungslücken schließen. Sichtungen müssen wir viel regelmäßiger hinbekommen.

Der Vertrag von Trainer Marco Donat läuft am Saisonende aus. Wann reden Sie mit ihm über eine Verlängerung?

Wir sitzen ständig zusammen, dafür brauchen wir keinen zusätzlichen Termin. Jetzt liegt der Fokus erst einmal noch auf der Saison. Wir sind da bei Weitem noch nicht sicher – nach unten. Wir arbeiten gut miteinander zusammen. Ich denke, er findet auch große Akzeptanz bei den Spielern. Wir schauen einfach mal in ein, zwei Monaten, da werden wir darüber reden. Man muss das aber realistisch sehen, Marco ist bei uns ja kein Vollprofi, sondern geht noch 40 Stunden arbeiten, manchmal auch mehr, kommt manchmal noch in Arbeitsklamotten zum Training. Dann noch über Verträge zu sprechen, halte ich für etwas vermessen.

Sie kennen den Volleyball sowohl als Spieler als auch als Funktionär aus der 1. Liga – weshalb tun Sie sich das alles beim VC Dresden eigentlich an?

Sie werden lachen, das frage ich mich in einigen Situationen auch. Aber zum einen bin ich in einer Lebenssituation nach Dresden gekommen, in der mir der Inhalt gefehlt hat. Jan Pretscheck lotste mich damals hierher, hier konnte ich mich wieder einbringen – und das macht mir immer noch Spaß. Zum anderen liebe ich den Verein, den Sport – und ich sehe Entwicklungspotenzial. Auch wenn es vor drei Jahren mal drei Schritte zurückging. Ich sehe uns nicht an einem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr vorwärtsgeht. Ich brauche etwas, für das es sich lohnt zu arbeiten. Meine Freundin kennt mich nicht anders. Wenn ich mal zwei Abende daheim wäre, würde sie mich fragen: Was ist denn los, musst du nicht irgendwohin?