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National und bonbonbunt

Die AfD will sich mit ihrer Kampagne für die Bundestagswahl vom düsteren Image der Angstmacher-Partei befreien. Ob ihr das gelingen wird? Ein Besuch in der kleinen AfD-Wahlkampfzentrale.

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© dpa

Anne-Beatrice Clasmann

Berlin. Die AfD plant ihren Bundestagswahlkampf in zwei spartanisch eingerichteten Räumen ihrer Berliner Bundesgeschäftsstelle. Auf dem Boden blaue Auslegeware, graue Tische, an der Wand hängen fünf quietschbunte Plakate. Um die Ecke liegt ein Hotel, das schon einmal bessere Zeiten gesehen hat. Es wird jetzt als Flüchtlingsunterkunft genutzt.

„“Neue Deutsche?“ Machen wir selber.“, steht auf einem der Plakate, mit denen die Partei in den nächsten drei Monaten auf sich aufmerksam machen will. Unter dem Schriftzug liegt eine lachende Frau mit großem Babybauch im Gras. Darunter der Slogan der AfD-Kampagne „Trau dich, Deutschland!“ Das wirkt positiv und lebensbejahend, auch wenn der Gehalt der Aussage eigentlich an den Wahlkampf der Hessen-CDU von 1999 unter Roland Koch erinnert (Stichwort: „Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben?“).

„Auch wenn die Inhalte ganz andere sind, der bunte Look unserer Kampagne könnte auch den Grünen gefallen“, sagt Thor Kunkel. Der Werbe-Profi mit Wohnsitz in der Schweiz hat früher für eine Agentur gearbeitet, die auch die Grünen beraten hat. Die konnten damals mit dem Spruch „Außen Minister, innen grün.“ und dem Gesicht von Joschka Fischer neue Wählergruppen erschließen. Erst Grüne, dann AfD, ist es für Kunkel, den Kreativ-Kopf mit dem strubbeligen Blondhaar, egal, was oder wen er in ein besseres Licht rückt? Er sagt: „Nein, ich würde niemals für ein Produkt Werbung machen, das ich mies finde.“ Die Grünen seien früher eine andere Partei gewesen, meint er. Ihren aktuellen Spitzenkandidaten Cem Özdemir mag er gar nicht. Kunkel sagt, er sehe in der AfD eine „neue politische Kraft, die nötig ist“. Und: „Für die NPD würde ich sicher keine Werbung machen.“

Den Feuilleton-Lesern ist Kunkel aus anderen Zusammenhängen bekannt. Mit seinem Roman „Endstufe“, in dem es um Nazis und Pornografie geht, hat er 2004 eine Kontroverse ausgelöst und einige Leser verstört. Angeheuert hat Kunkel der Berliner AfD-Chef Georg Pazderski. Er hat auch den Leiter des kleinen Kampagnenteams, Michael Büge (51), ins Boot geholt. Der ehemalige Berliner Staatssekretär hat sich mit der CDU überworfen, deren Mitglied er viele Jahre lang war.

Der damalige Berliner CDU-Sozialsenator Mario Czaja hat Büges Entlassung als Staatssekretär 2013 mit dessen Festhalten an der Mitgliedschaft in der Burschenschaft „Gothia“ begründet. Büge selbst sagt, ihm habe der neue Kurs der CDU nicht gefallen, von der Aussetzung der Wehrpflicht bis hin zum Ausstieg aus der Atomenergie.

Der Raum, den sich Büge mit dem Dritten im Team teilt, einem AfD-Mitglied mit einer Vergangenheit in der DDR-Bürgerbewegung, ist deutlich kleiner als sein früheres Büro als Staatssekretär, drei Millionen Euro gibt die AfD für ihren Bundestagswahlkampf aus.

Ein Plakatentwurf, den Kunkel auf seinem Laptop gespeichert hat, zeigt das ungleiche AfD-Spitzenteam für die Bundestagswahl, Alice Weidel und Alexander Gauland. Vom Alter her könnte sie seine Tochter sein. Der Slogan dazu ist launig-lustig: „Doppelspitze? Doppelt Spitze!“. Von Gauland soll es auch ein Einzelfoto geben. Der sonst oft etwas sauertöpfisch wirkende 76-Jährigen lächelt darauf verschmitzt, und trägt seine geliebte dunkelgrün-gelbe Hunde-Krawatte. „Dazu der Spruch: „Retro? Aber nur bei Krawatten“. Das könnte auch eine Anspielung auf den von politischen Gegnern häufig vorgebrachten Vorwurf sein, die AfD wolle Deutschland zurückversetzen in die spießige Zeit der 1950er Jahre.

Die AfD ist eine Partei, die wie alle Parteien aus dem rechten Spektrum überwiegend von Männern gewählt wird. Die fühlen sich vielleicht eher als Frauen von dem AfD-Plakatmotiv Bikini-statt-Burka angesprochen. Es zeigt drei junge Frauen in knappen Bikinis von hinten. Bei diesen Models handele es sich nicht um AfD-Mitglieder, verrät AfD-Sprecher Christian Lüth. Für andere Plakate, auf denen eine Art Weinkönigin und Frauen und Trachten zu sehen sind, fanden sich dagegen Freiwillige aus den eigenen Reihen.

Über die Plakate ist in der AfD lange diskutiert worden. „Basisdemokratie ist schön, aber auch anstrengend“, sagt Büge. Die Landesverbände Bayern und Baden-Württemberg, wo Weidel auf Platz eins der Kandidatenliste steht, haben letztlich entschieden, die Entwürfe aus Berlin nicht zu verwenden. Der Kampagnenleiter hofft aber dennoch, dass sein Credo überall Beachtung findet: „Wir machen keine Negativ-Campaign, sondern unsere Botschaft soll sein: Wir haben Lösungen für politische Probleme.“ Ein bedrohlich wirkender Plakat-Entwurf in düsteren Farben, der ein überfülltes Schlauchboot auf dem Meer zeigt, sagt Büge, sei deshalb auch schnell wieder verworfen worden. (dpa)