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Namen gegen das Vergessen

Eine 15-Jährige liest Namen von ermordeten Juden vor. Das tut sie aus tiefer Überzeugung.

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© Norbert Millauer

Von Simone Burig

Miriam Eckmann wirkt zurückhaltend. Ihr dunkles Haar fällt glatt über die Schultern. Durch die Brille schauen zwei aufmerksame Augen. Mit festen Worten und aus tiefer Überzeugung heraus sagt sie: „Wir dürfen nicht vergessen, was passiert ist.“ Und genau das ist auch der Grund, warum die 15-jährige Schülerin heute an der traditionellen Lesung vor der Kreuzkirche teilnimmt. Aus einer Liste mit insgesamt 1 953 Namen ermordeter oder verschollener Dresdner Juden wird sie einige vortragen – gegen das Vergessen.

Mit den Geschehnissen rund um den Zweiten Weltkrieg hatten sich das Mädchen und ihre Mitschüler von der Internationalen Schule bereits im Deutsch- und Geschichtsunterricht ausführlich befasst. Tief beeindruckt war die 15-Jährige von einer Fahrt nach Krakau und dem Besuch im Konzentrationslager Auschwitz. Dort hat die Klasse mit einem Überlebenden gesprochen. „Was er erzählt hat, war beeindruckend, aber auch sehr traurig“, sagt Miriam Eckmann. Ganz neu waren dem Mädchen solche Schreckensgeschichten nicht. Zuvor hatte sie bereits einige Bücher über den Krieg gelesen, darunter das Tagebuch von Anne Frank und das Buch „Ich habe den Todesengel überlebt“. In dieser Geschichte geht es um ein Mädchen, dessen Schwester durch die Experimente des Nazi-Arztes Josef Mengele gestorben war. „Dass ihre Schwester wie ich Miriam hieß, hat mich zusätzlich berührt. Da wollte ich einfach mehr erfahren“, erzählt Miriam Eckmann. Und seitdem fragt sie sich auch immer wieder, wie Menschen solche Grausamkeiten zulassen konnten. Und: „Ich habe nie verstanden, wie das alles passieren konnte.“

Als schließlich ihre Deutschlehrerin Dorothea Hoffmann fragte, wer an der Namenslesung teilnehmen möchte, stand für Miriam Eckmann sofort fest: „Das möchte ich machen. Ich musste gar nicht lange überlegen.“ Klar ist für die 15-Jährige auch: „Ich werde mich auch weiterhin mit dem Zweiten Weltkrieg und der Ermordung der Juden beschäftigen. Mit der Lesung darf das nicht vorbei sein.“ Schließlich will sie nicht vergessen, was passiert ist. Das erwartet das Mädchen auch von anderen: „Niemand darf das jemals vergessen.“

Die Verlesung der 1 953 Namen beginnt um 12 Uhr vor der Kreuzkirche. Um 18 Uhr findet die Feier für die Opfer des Nationalsozialismus in der Gedenkstätte Münchner Platz statt.