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Nächtlicher Sturm auf das Minsker Zeltlager

Weißrussland. Bei der Aktion hat die Polizei dutzende Anhänger der Opposition verhaftet.

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Von Ulrich Heyden,SZ-Korrespondent in Moskau

Im Dunkel der Nacht fuhren Gefangenentransporter auf den Oktoberplatz in Minsk. Die Polizei bildete einen Ring um die etwa 200 Demonstranten. So begann am Freitagmorgen um drei Uhr die Räumung des Zeltlagers. Seit Dienstag hatten Gegner von Staatschef Lukaschenko auf dem Platz ununterbrochen gegen das offizielle Wahlergebnis der Präsidentenwahl vom Sonntag demonstriert. Offiziellen Angaben zufolge erhielt der Amtsinhaber 82 Prozent der Stimmen. Die Opposition spricht von einer Fälschung und fordert eine Wiederholung der Wahl.

Nach der Umzingelung forderte die Polizei die Journalisten auf, aus dem Kessel zu kommen. „Lasst uns nicht allein“, rief eine Frau. Dann begannen Polizisten in schwarzen Overalls, die Demonstranten abzuführen. Niemand leistete Widerstand. Manche ließen sich wegtragen.

Unter den Festgenommenen waren auch Bürger aus Litauen, der Ukraine, Russland sowie ein Kamerateam des georgischen Fernsehens. Unter den Verhafteten befand sich außerdem der ehemalige polnische Botschafter in Minsk, Marius Maszkewicz, und der 20-jährige Sohn des Präsidentschaftskandidaten Alexander Milinkewitsch. Nach Angaben der Behörden sollen die Oppositionellen wegen der Teilnahme an einer unerlaubten Kundgebung angeklagt werden.

Vorwürfe an die Beobachter

Die Staatsmacht hatte in den letzten Tagen alles unternommen, um den Demonstranten den Aufenthalt auf dem Oktober-Platz zu erschweren. Die Beleuchtung war ausgeschaltet worden. Alle 24-Stunden-Bars und -Cafes hatte man schließen lassen. Die Aufstellung von Biotoiletten wurde verhindert.

Die Kommentare auf die Räumung fielen unterschiedlich aus. Oppositionsführer Milinkewitsch sprach von „Banditismus“ und erklärte, „in einem europäischen Land ist so etwas unzulässig“. Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf der Beobachtergruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vor, sie habe die Demonstranten aufgestachelt. Schon vor der Wahl habe die OSZE die Wahlen für nicht legitim erklärt.

Die Opposition hielt an ihrem Aufruf zu einer Demonstration am Sonnabend auf dem Oktober-Platz fest. Wenn man nicht auf den Platz kommen dürfe, werde man sich an anderer Stelle versammeln, hieß es. Mit der Aktion will die Opposition an den 25. März 1918 erinnern. An diesem Tag war die unabhängige Republik Weißrussland gegründet worden, die aber nur wenige Monate existierte.