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Im Sechzehngeschosser an der Zwinglistraße fährt derzeit nur einer von zwei Liften. Das ist kein Einzelfall.

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© Christian Juppe Verwertungsrecht

Von Nora Domschke

Schon wieder hält ein defekter Aufzug Dresdner Mieter in Atem. Nach einem Zehngeschosser in Prohlis gibt es nun in einem Grunaer Hochhaus Ärger. Seit Minuten hält der Aufzug in der vierten Etage. „Was ist denn da los“, fragt eine Rentnerin, die im Erdgeschoss vor dem Fahrstuhl steht und sich auf ihren Rollator stützt. Seit vier Wochen leben die Bewohner des Sechzehngeschossers an der Zwinglistraße mit nur einem Fahrstuhl. Der ist allerdings im Dauereinsatz. Problematisch wird das Ganze, wenn in einer der 135 Wohnungen des Hochhauses ein Umzug stattfindet.

Bitte hinten anstellen! Klaas Pannenborg und Hildegard Kern warten schon mal eine halbe Stunde, bis der Aufzug in ihre Etage kommt. In dem Hochhaus an der Postelwitzer Straße müssen sich die Mieter aus 135 Wohnungen einen Lift teilen. Besserung ist erst E
Bitte hinten anstellen! Klaas Pannenborg und Hildegard Kern warten schon mal eine halbe Stunde, bis der Aufzug in ihre Etage kommt. In dem Hochhaus an der Postelwitzer Straße müssen sich die Mieter aus 135 Wohnungen einen Lift teilen. Besserung ist erst E © Christian Juppe Verwertungsrecht

So wie an diesem Mittwochmorgen. Im Erdgeschoss heißt es Anstellen, denn in der vierten Etage müssen Kisten aus- und eingeladen werden. Der Fahrstuhl wird über Minuten hinweg blockiert. Auf einem Aushang teilt der Vermieter Vonovia mit: Aufgrund einer Störung kann der Aufzug nicht fahren. Voraussichtlich ab 31. Januar 2017 sei er wieder einsatzbereit. „Ich verstehe nicht, dass eine Reparatur so lange dauert“, sagt Klaas Pannenborg. Der rüstige 76-Jährige lebt seit fünf Jahren in dem Hochhaus. Seine Wohnung in der dreizehnten Etage gehört zur Volkssolidarität Dresden, die in dem Gebäude Plätze für Betreutes Wohnen anbietet. Von seiner Wohnung aus genießt Pannenborg die herrliche Aussicht auf die Dresdner Altstadt und die Elbhänge. Dass nun einer der Aufzüge für fast drei Monate ausfällt, ärgert ihn. Was war passiert?

Anfang November hatte Vonovia angekündigt, dass der Aufzug am 8. November in der Zeit von 7 Uhr bis 16 Uhr repariert wird und deshalb außer Betrieb ist. „Seitdem steht der Fahrstuhl still“, sagt Pannenborg. Fest steht indes, dass nun alle Bewohner, Besucher, Pflegekräfte und Essenlieferanten auf den verbliebenen Aufzug angewiesen sind. Seitdem ist im Sechzehngeschosser vor allem eines gefragt: Geduld. „Manchmal dauert es 20 Minuten, bevor der Fahrstuhl in meiner Etage hält.“

Rollstuhl-Stau und Klappstühle

Noch schlimmer ist es für diejenigen, die einen Rollator oder Rollstuhl benutzen. So wie Hildegard Kern, die in der obersten Etage wohnt. Im Fahrstuhl haben maximal drei Rollatoren Platz. „Jetzt ist er aber meist schon voll“, sagt sie. Nicht selten muss die Rentnerin drei oder vier Fahrten abwarten, bevor sie einsteigen kann.

Mit 76 Jahren ist Klaas Pannenborg einer der jüngsten Bewohner des Grunaer Hauses. Zwar nimmt er ab und zu auch die Treppe, dann aber nur bis ins vierte Stockwerk. Damit ist er in dem Seniorenheim einer der wenigen, die überhaupt zu Fuß unterwegs sind. Hildegard Kern müsste bis in ihre Wohnung in der sechzehnten Etage mehr als 250 Stufen steigen. Undenkbar für die ältere Dame. Zumindest eine Erleichterung gibt es seit einigen Tagen: Vonovia hat vor den Aufzügen Klappstühle an die Wände montieren lassen. Das erleichtert die Wartezeit, sagt eine Bewohnerin in Etage fünf. Sie ist 80 Jahre alt und hat zwei Schlaganfälle hinter sich. Auch für sie ist das Treppensteigen keine Alternative.

Größte Sorge der Senioren ist, dass der zweite Aufzug auch noch ausfallen könnte. Denn auch dann ist nicht mit einer schnellen Reparatur zu rechnen. Pannenborg fragt sich, ob der Vermieter den Schaden nicht habe kommen sehen? Nein, sagt Vonovia-Sprecherin Bettina Benner. Für das Unternehmen mit knapp 37 000 Wohnungen in Dresden ist es in diesem Jahr allerdings nicht der erste Fahrstuhldefekt.

Erst in der vergangenen Woche sorgte ein Zehngeschosser in Prohlis für Schlagzeilen. Dort funktionierte der Lift mehr als eine Woche nicht – allerdings gibt es dort keinen zweiten Aufzug (die SZ berichtete). Zwar hatte Vonovia einen Tragedienst organisiert – wer ihn in Anspruch nehmen wollte, musste sich dafür aber rechtzeitig anmelden. Und auch in einem anderen Prohliser Hochhaus in gibt es jetzt Probleme mit einem der beiden Fahrstühle: Der Antrieb ist defekt, ein Ersatzteil musste bestellt werden. „Wir werden den Schaden so schnell wie möglich beheben“, teilt Bettina Benner auf Nachfrage mit. Einen konkreten Termin nennt sie nicht. Das Gebäude in der Prohliser Allee 33 hat – wie das Haus in Gruna – zwei Aufzüge, sodass die Bewohner zumindest einen nutzen können.

Doch woran liegt es, dass gleich mehrere Aufzuganlagen gleichzeitig aussteigen? Gerd Reimann betreibt seit 1998 einen Aufzugsdienst in Dresden und wartet für verschiedene Hausverwaltungen die Fahrstühle. Der Experte hat eine mögliche Erklärung für die Häufung der Fälle: Ein Großteil der Aufzüge in Dresdner Wohngebäuden wurde in den 1990er-Jahren erneuert. „Das war vor mehr als 20 Jahren“, sagt Reimann. Wie bei einem Auto fallen nach einer gewissen Lebensdauer größere Reparaturen an. Oft seien das eben Verschleißteile wie Trageseile, Getriebe, Antrieb.

Das ist auch in Gruna der Fall. Auch dort ist das Getriebe des Lifts beschädigt. Vonovia will die gesamte Anlage nun komplett modernisieren lassen. Die Arbeiten übernimmt die Firma Schindler, die sich um alle 379 Aufzüge der Vonovia in Dresden kümmert. Das Material für den Umbau könne nicht auf Vorrat gehalten werden, teilt Sprecherin Birgit Dirks mit. Deshalb dauert die Reparatur bis Ende Januar.