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Muttermilch für fremde Babys

Nicht jede Frau kann den eigenen Säugling stillen. Für Frühchen gibt es deswegen spezielle Hilfe.

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© Christian Juppe

Von Juliane Richter

Die Geburt, der erste Schrei, das erste Saugen an der Brust. Eine Idealvorstellung, die so nicht immer eintritt. Denn gerade bei Müttern von Frühchen ist der Körper oft noch nicht zum Stillen bereit. Und doch brauchen gerade diese Kinder Muttermilch. „Sie hat den idealen Eiweißgehalt, ist wichtig für das Immunsystem und beinhaltet wichtige Fettsäuren für die Augen- und Hirnzellen des Kindes“, sagt Dr. Andrea Näke, Oberärztin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Dresdner Uniklinikum. Trotz aller Babynahrung gebe es für Muttermilch keinen adäquaten Ersatz. Künstlich herstellen lässt sie sich nicht.

Die 37-jährige Antje hat fünf Monate lang einen Teil ihrer Muttermilch gespendet. Sohn Frederik hatte trotzdem alles, was er zum Großwerden braucht.
Die 37-jährige Antje hat fünf Monate lang einen Teil ihrer Muttermilch gespendet. Sohn Frederik hatte trotzdem alles, was er zum Großwerden braucht. © Sven Ellger

Umso wichtiger ist es, dass andere Mütter überschüssige Milch spenden. Diese fremde Milch wird in der sogenannten Milchküche des Dresdner Uniklinikums aufbereitet und den Frühchen mit dem Fläschchen gegeben. Laut Elke Unger, die seit 37 Jahren in der Milchküche arbeitet, spenden zwischen drei und zehn Frauen gleichzeitig. Die meisten davon sind frisch entbundene Mütter, die noch einige Tage in der Klinik bleiben. „Leider sind die Spenden in den vergangenen Jahren immer stärker zurückgegangen, weil sich das Stillverhalten geändert hat“, sagt Unger. Die Frauen würden den Kindern häufiger die Brust geben. Der Körper würde sich dadurch dem Kind anpassen und kaum noch überschüssige Milch produzieren.

Bei der 37-jährigen Antje war das anders. Vor knapp elf Monaten ist ihr Sohn Frederic zur Welt gekommen. Ihr zweites Kind – entsprechend gelassen hat sie die ersten Tage mit dem Jüngsten erlebt. „Mir war sehr schnell klar, dass ich zu viel Muttermilch habe. Die überschüssige Milch einfach wegzuschütten, war mir zu schade“, sagt sie. Über das Internet ist sie schließlich auf die Milchküche des Uniklinikums und die Möglichkeit der Spende aufmerksam geworden.

Doch nicht jede Mutter kann spenden, da nur die Milch gesunder Frauen weitergegeben werden darf. „Über die Milch können Aids, Hepatitis oder Bakterien übertragen werden. Deshalb überprüfen wir nicht nur den Gesundheitszustand der Frauen, sondern jede Spende wird auch mikrobiologisch untersucht“, sagt Andrea Näke.

Die 37-jährige Antje hat das Prozedere als recht unkompliziert empfunden. Lediglich eine vorherige Blutuntersuchung war notwendig. Beim Abpumpen der Milch musste sie dann einige Regeln befolgen, wie zum Beispiel das häufigere Sterilisieren der Pumpe und das schnelle Kühlen. An sich habe das Klinikum ihr das Spenden aber so leicht wie möglich gemacht. „Alle zwei Tage ist ein Fahrer gekommen, der die Milch abgeholt und mir neue, leere Fläschchen übergeben hat“, sagt sie. Zwischen 500 und 800 Milliliter konnte sie nach den zwei Tagen jedes Mal spenden. Andere Mütter haben noch deutlich mehr Milch. Laut Mitarbeiterin Elke Unger spenden manche bis zu einem Liter pro Tag. Wenn die Muttermilch das Uniklinikum erreicht, wird sie zunächst mikrobiologisch untersucht. Ist alles in Ordnung, wird sie auf 60 Grad Celsius erhitzt und pasteurisiert. Gekühlt bleibt die Milch zwei Tage haltbar. „Was wir nicht gleich verfüttern können, frieren wir ein. Dann hält sich die Milch sechs Monate lang“, sagt Unger. Sie würde sich freuen, wenn noch mehr Frauen spenden. Je Liter gibt es auch einen kleinen Obolus als Aufwandsentschädigung.

Mutter Antje findet die Idee der Milchküche, die die einzige in Dresden ist, sehr positiv. „Das hat auch den Vorteil, dass die Milch die ganze Zeit überwacht wird. Sollten doch einmal Keime oder andere Auffälligkeiten festgestellt werden, ruft das Krankenhaus sofort an.“ Sie kann das Spenden nur weiterempfehlen – auch, weil ihrem eigenen Kind dadurch nichts gefehlt hat.

Die Muttermilch kann allerdings nur in den ersten sechs Monaten abgegeben werden. Dann verändert sich ihre Zusammensetzung und ist für Neugeborene nicht mehr geeignet. Ärztin Andrea Näke beobachtet mittlerweile verstärkt, dass Mütter ihre Milch auch im Internet anderen Frauen anbieten. „Davor können wir aber nur warnen, gerade im Hinblick auf die Krankheiten, die dadurch übertragen werden können.“ Die Überwachung der Milch sei dringend notwendig.