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Mutter Funke war die Erste

Große Wäsche, große Plage! Blick in die Freitaler Wäscherei-Geschichte.

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Von Heinz Fiedler

Es lässt sich nicht schön reden: Die große Wäsche von seinerzeit, als man Stampfer und Waschbrett für segensreiche Erfindungen hielt, entpuppte sich jedesmal als eine verflixt ungeliebte Schinderei. Die Reinigungsprozedur konnte ganze Familien bis zu einer Woche lang in Atem halten. Das war nicht nur ausschließlich Frauensache. Hier mussten sich auch die männlichen Mitglieder und heranwachsenden Kinder mit ins Zeug legen. Schauplatz des für gewöhnlich aller vier Wochen wiederkehrenden Umsturzes: die mehr oder minder geräumige Waschküche des Wohngebäudes.

Schon bei der Terminplanung konnten sich die Mieter eines Hauses in die Haare kriegen. Jeder wollte bei Vollmond waschen, weil eine solche Konstellation nach uralten Überlieferungen Schönwetter versprach. Und Sonne konnte man für das Trocknen gut gebrauchen.

Als man vor über 150 Jahren noch ohne Kessel und Wringmaschine auskommen musste, dienten offene Gewässer, wie etwa unsere Weißeritz, aber auch Bäche, Teiche und Dorfbrunnen, zum Waschen. Ein begehrtes Fleckchen zum Wäschebleichen war übrigens die Fluterwiese (heute Standort Pflegeheim, Leßkestraße in Freital). Für begüterte Leute kam solch eine Plagerei kaum in Frage. Sie engagierten sich für wenig Geld eine Waschfrau.

Anfang in Coschützer Straße

Eine Frau, die fast schon in Vergessenheit geraten ist, ebnet dem Wäschereigewerbe im Plauenschen Grund die Wege: Ida Funke, verheiratet mit einem Handwerker, Mutter von fünf Kindern. Ab 1895 ist sie unterwegs, um Waschaufträge fremder Haushalte zu übernehmen. Eine rastlos Frau, die kaum eine freie Minute kennt, erfüllt im Waschhaus ihres Grundstücks Coschützer Straße 75 (Grenzbereich Potschappel/Birkigt) mittels Waschbrett die Wünsche der Kundschaft. Mühsal unter primitiven Bedingungen.

1910 baut Ida Funke im Nebengebäude eine zweigeschossige Wäscherei mit einer Produktionszone von 200 Quadratmetern und einem Trockenboden auf. Ein Familienbetrieb entwickelt sich, der in guten Zeiten bis zu 16 Mitarbeiter beschäftigt. Sohn Walter steigt 1918 mit ein, für seine Tochter Monika beginnt 1960 das Berufsleben in der Wäscherei. Das Unternehmen hat auch Großkunden wie Einrichtungen des Hauptbahnhofes Dresden und Polikliniken.

Streit im Stadtparlament

Im Juni 1966 schließt die Wäscherei in der Coschützer Straße ihre Pforten. Der Druckfeuerkessel fällt aus, eine Reparatur ist nicht mehr möglich. Ein neuer Kessel lässt sich unter DDR-Verhältnissen nicht auftreiben. So bleibt Walter Funke nur die Geschäftsaufgabe. Im Jahr darauf vollendet sich das Leben der Begründerin Mutter Funke, der die erste Wäscherei in unserer Gegend zu danken ist. Ida Funke wurde über 90 Jahre alt.

Das Thema Zentralwäscherei Freital führt ab Herbst 1927 im Stadtparlament zu hitzigen Debatten. Etliche Stadtväter verweisen darauf, dass viele Familien über keine Trocken- und Bleichgelegenheit verfügen. Überdies, so argumentieren sie, käme in zahlreichen Bürgereingaben zum Ausdruck, dass es den Haushalten an der nötigen Zeit für große Wäsche fehle. Nur eine zentral gelegene Wäscherei könne Abhilfe schaffen.

Vertreter des Wirtschaftsverbandes und Einzelhandels protestieren lautstark. Eine Großwäscherei würde die Existenz von Waschmittelgeschäften und auf Fertigung von Holzwannen spezialisierte Böttchereien ernsthaft schädigen. Allen Widerständen zum Trotz beschließt die Mehrheit der Abgeordneten die Errichtung eines stadteigenen Objekts im Bereich Deubener Straße.

Nach einem Entwurf des Dresdner Architekten Bärbig entsteht ein stattlicher, modern angelegter Bau. Kernstück eine 500 Quadratmeter große Produktionsfläche zu ebener Erde, mittels Technik so angeordnet, dass eine Bearbeitung der Wäsche im Kreisverkehr möglich ist. Als Leiter der vor 80 Jahren übergebenen Einrichtung wird der Berliner Waschmeister Arno Weise verpflichtet. Das Haus Deubener Straße 7 versteht sich als Dampfwäscherei mit Freilufttrockenplatz, Plätterei und Gardinenspannerei. Ein von der Stadt finanzierter Werbefilm läuft monatelang in Freitaler und Dresdner Kinos.

Tagesleistung 2,25 Tonnen

Der Zuspruch übertrifft alle Erwartungen. Allein im ersten Halbjahr 1929 gehen 3600 Aufträge ein. 1936 wird die Wäscherei privatisiert. Als neue Hausherren ziehen die Gebrüder Karl und Walter Vogel ein. Beide sind insofern „vorbelastet“, als ein Verwandter, Emil Vogel, schon 1868 in Dresden-Blasewitz eine Dampfwaschanstalt betreibt.

Es geht weiter aufwärts im Haus nahe der Weißeritz. Der Mechanisierungsgrad wird erweitert, der Maschinenpark ergänzt. 1950 setzt Handwerksmeister Textilingenieur Günther Vogel das Werk der Vorgänger fort. Die Tagesleistung an behandelter Wäsche steigt in einer Schicht bis auf 2,25 Tonnen. Der Name Vogel wird im Plauenschen Grund zu einem Wertbegriff.

Als es 1972 im Zuge der DDR-Wirtschaftspolitik zur Enteignung kommt, fungiert Günther Vogel als Betriebschef. Sieben Jahre später scheidet er aus gesundheitlichen Gründen aus. Die Wäscherei wird vom Haus der Dienste übernommen. Inzwischen ist der Kundenstrom versiegt. Von der einstigen Bedeutung der Wäscherei ist nichts mehr geblieben.