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Mutriku, das erste Wellenkraftwerk

An Spaniens Küste treibt schwappendes Wasser Turbinen an. Ein Dresdner Forscher kennt sich aus mit dieser Technik.

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Mutriku/Dresden. Wellen krachen gegen das massive Bauwerk vor dem Hafen von Mutriku im Baskenland. Ein scheinbar unauffälliger Betonklotz neben der Hafenmole. Doch er hat es in sich: Dort verbergen sich 16 Turbinen, die nur auf die nächste Welle warten, denn sie verwandeln sie in Strom.

Vor wenigen Tagen ging das Wellenkraftwerk in Nordspanien ans Netz, nach Firmenangaben als erstes kommerziell genutztes. Seine Dimensionen lassen eine Energiewende mithilfe der Weltmeere allerdings zunächst wenig realistisch erscheinen. Die Turbinen versorgen mit ihrer Leistung von 300 Kilowatt gerade mal rund 250 Haushalte mit Strom, erläutert der Bauherr EVE (Ente Vasco de la Energia). Doch ein Dresdner Forscher hält das für nicht entscheidend: Die Größe lasse noch keine Aussage zu, ob Wellenkraft einer der wichtigen Energieträger werde, sagt Professor Kai-Uwe Graw, Professor für Technische Hydromechanik an der Technischen Universität Dresden. „Die ersten Windräder waren auch verhältnismäßig klein.“

Von einem „gigantischen“ Potenzial der Energiegewinnung aus Wellen spricht Roland Münch, Chef von Voith Hydro in Heidenheim. Die Sparte der Anlagenbaufirma hat die Turbinen geliefert, die nun in Mutriku laufen. Für Münch ist Wellenkraft die interessanteste aller Arten, aus Weltmeeren und deren Strömungen Energie zu gewinnen.

Seit Jahrzehnten tüfteln Wissenschaftler und Ingenieure daran, wie der Wellengang genutzt werden kann. Laut Professor Graw haben sich anfangs „viele Firmen daran ausprobiert, dann aber wegen fehlender Marktchancen einen Rückzieher gemacht“. In Deutschland kann er sich keinen Einsatz der Technik vorstellen: „Die Küsten von Nord- und Ostsee eignen sich nicht.“ Optimal hingegen sieht es an den Atlantikküsten von Schottland, Norwegen, Portugal und eben auch Spanien aus.

Ob Mutriku wirklich unter kommerziellen Bedingungen funktioniert, müssen die Betreiber jetzt laut Graw erst einmal beweisen. Die Technik läuft jedenfalls – nach der Methode der „oszillierenden Wassersäule“ (OWS). Die Wellen schwappen unter der Wasseroberfläche in eine Kammer und produzieren dadurch einen Luftzug, der die Turbine antreibt. Weil es in Mutriku eine Wellsturbine ist, dreht die sich immer in der gleichen Richtung – egal, ob die Welle gerade raus- oder reinschwappt.

Experte Graw ist hin- und hergerissen, wenn es um eine Prognose für die Wellenkraft geht. Aussagen, in den Weltmeeren stecke bis zu ein Drittel des weltweiten Strombedarfs, will der Dresdner nicht kommentieren. Außer der Wellenkraft sei die Nutzung der Gezeiten ja schon gängig. „Die Möglichkeiten sind riesig, das stimmt. Aber wie lange es dauert, sie wirklich auszunutzen, lässt sich nicht eindeutig bestimmen“, sagt Graw.

Auch deutsche Energiekonzerne arbeiten an Möglichkeiten, sich die Weltmeere zunutze zu machen. RWE Innogy etwa will an Schottlands Küste ein Vier-Megawatt-Wellenkraftwerk installieren. Vorbilder wie Mutriku sind da nicht ungeeignet. Der weißgraue, spitz zulaufende Klotz sollte so oder so gebaut werden – als Wellenbrecher und Schutz für den Hafen. (dpa)