Merken

Musikstunde bei Heinz Rudolf Kunze

Der Künstler hat mit Schülern am Luisenstift ein Lied eingeübt. Auch für ihn eine Premiere.

Teilen
Folgen
© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Radebeul. Der Meister persönlich sitzt am Lehrertisch. Hinter ihm sein Gitarrenkoffer, neben ihm ein Ständer mit Schulgitarren. Rollenwechsel für Deutschrocker Heinz Rudolf Kunze. Blätter wandern durch die Stuhlreihen. Der Text seines „Setz dich her“. „Zählt mal, wie viele Teile ihr hört“, gibt der Musiker den Jugendlichen auf. Sein Manager wirft den CD-Spieler an.

Der Künstler ist gestern Nachmittag zu Gast im Radebeuler Gymnasium Luisenstift. Kunze betritt Neuland und kehrt doch zugleich zu seinen Wurzeln zurück. „Ich bin ausgebildeter Gymnasiallehrer für Deutsch, Philosophie, Werte und Normen, wie das damals hieß“, erzählt er den Zehntklässlern. „1980/81 habe ich mein Referendariat gemacht.“ Dass er nun erstmals Musik an einer Schule gibt, ist dem Elan von Luisenstift-Lehrerin Dorit Kretzschmar zu verdanken. Sie organisiert eine lose Veranstaltungsreihe, die Schülern einen Blick über den Tellerrand gewähren soll. So fragte sie einfach bei Kunzes Management an.

Die Jugendlichen lauschen dem Lied, notieren Nummern. Alle sind musikinteressiert, viele lernen ein Instrument. Als Erstes will der Gastlehrer wissen: „Welche Musikrichtung ist das?“ Stille. Vorsichtig wagt sich eine Stimme aus der Deckung: „Country?“ Große Augen hinter der markanten Brille. „Ja, Countryrock“, bestätigt Kunze und erkundigt sich nach Vertretern dieses Stils, die dem „jungen Gemüse“ bekannt sind. Aufgeschlossen hört er den Jugendlichen zu, geht auf ihre Antworten ein. „Auch schon mal was von Johnny Cash gehört?“ Die Masse bejaht. Man kommt ins Gespräch. Einen Promi-Bonus hat Kunze bei den Schülern nicht. Vielen waren bisher weder er noch seine Musik ein Begriff.

Längst hat der Künstler seine Gitarre ausgepackt und schlägt zu „Setz dich her“ die Saiten an. Zunächst erklärt er, wie er das Lied aufgebaut hat. Immer wieder flechtet er ein, was für sein junges Publikum neu sein könnte: „Habt ihr beim Solo das Instrument erkannt, bei dem sich die Töne so ineinander biegen? Die naive Bezeichnung auf Deutsch ist Hawaii-Gitarre.“

Kurz noch zum Inhalt des Liedes. Wovon handelt es, erkundigt sich der 60-Jährige. Die Kurzfassung einer Schülerin: „Zwei Personen kommen vor. Eine merkt, dass es der anderen nicht gut geht.“ Heinz Rudolf Kunze nickt. Und schon werden die Gitarren verteilt. Vier Jugendliche greifen zu.

Nun geht der Musiker die Melodie Akkord für Akkord durch. In sportlichem Tempo. Eine 15-Jährige in der ersten Reihe folgt mühelos. Ab und an vergewissert sich der Profi: „Bin ich zu schnell?“ Nicht jeder schreibt mit, aber die Blicke sammeln sich immer wieder vorn bei dem charismatischen Multitalent. Denn Kunze fesselt mit Einblicken in seine Arbeit. „Diese Arbeitsweise mit Akkorden ist typisch für mich und meine Musiker“, verrät er. „Noten verwenden wir nur, wenn es ganz knifflig ist oder wenn Gastmusiker kommen.“

„Und wie ist das mit dem Text?“, interessiert sich eine Schülerin. „Ich fange ein Lied gern mit dem Text an“, sagt er. Wenn die Musik zuerst da sei, enge ihn das ein.

Rund 45 Minuten später die erste richtige Probe. Mit CD-Verstärkung. Dann der große Moment: gemeinsam, pur, live. Eine Musiklehrerin schwingt sich ans Klavier. Eine Schülerin kümmert sich fix noch um ein wenig Percussion. Und im Raum nimmt eine zaghafte Chorversion von „Setz dich her“ Gestalt an, die sich hören lassen kann. Nicht nur die Schüler wirken vom Ergebnis überrascht. „Kompliment“, lobt Heinz Rudolf Kunze. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir durchkommen. Das sind pfiffige Menschen hier!“