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Musik soll Schulverweigerern helfen

Immer mehr Dresdner Kinder besuchen keinen Unterricht. Das Klinikum Neustadt hat dafür eine spezielle Therapie.

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© Christian Juppe

Von Julia Vollmer

Im Bett liegen bleiben statt über Mathe zu schwitzen. Immer mehr Kinder verweigern den Schulbesuch, weil sie Angst vor Mobbing oder dem eigenen Versagen haben. Rund 400 Schulverweigerer zählt die Stadt pro Jahr in Dresden. In Sachsen waren es im Schuljahr 2014/2015 rund 4 870 Schulverweigerer, teilt das Kultusministerium mit. Zwischen 1,2 und 1,4 Prozent aller Schüler im Freistaat gingen in den vergangenen fünf Jahren nicht in den Unterricht.

Das Klinikum Neustadt kennt die steigenden Zahlen und vergrößert seine Psychosomatik-Station. Jetzt gibt es acht Plätze für die stationäre Therapie. Die Mediziner setzen neben Einzel- und Gruppengespräche auch auf Musik zum Heilen der Seele. Ljubka Müller-Mateewa leitet die Musiktherapiestunden. „Die Kinder kommen zu mir mit Bauchschmerzen, Konzentrationsschwierigkeit und schlicht Angst vor der Schule und ihren Mitschülern“, erzählt sie.

Beim gemeinsamen Trommeln oder Klavier spielen öffnen sich viele kleine Patienten und erzählen von ihren Problemen. Es sei ein Teufelskreis. Werden Kinder in der Schule gemobbt, vergraben sie sich zu Hause, oft vor dem Fernseher oder dem Computer. Bekommen sie keine Hilfe, werden sie immer antriebsloser und gehen tagelang gar nicht aus dem Haus, erzählt sie. Sie fühlen sich oft chronisch erschöpft. So kommen schnell mal 70 bis 80 Fehlstunden pro Halbjahr zusammen, erzählt Andreas Lachnitt, leitender Arzt der Psychosomatik-Station. „Der Leistungsdruck an den Schulen steigt immer mehr und somit auch unserer Patientenzahlen.“ Die Schulverweigerung könne sich im schlimmsten Fall zu einer Phobie steigern.

Die Ursachen für die Angst vor der Penne sind vielfältig. Neben Mobbing sind das auch Trennungsängste von den Eltern. Gerade Kinder, die vielleicht keine Kita besucht haben, müssen sich mit dem Schulanfang das erste Mal von zu Hause lösen. Das fällt einigen sehr schwer. Andere fühlen sich von der Konkurrenzangst um gute Zensuren und Anerkennung von Lehrern und Mitschülern überfordert.

Andreas Lachnitt und seine Kollegen bauen in einem ersten Schritt in der Therapie erst mal wieder einen normalen Tagesablauf auf. Wer oft nächtelang am PC gesessen hat, ist es nicht mehr gewöhnt, früh um sechs Uhr für die Schule aufzustehen. Langsam führen die Mediziner die Kinder wieder an den Alltag heran.